Weniger touristisch als Wismar beherbergt diese mecklenburgische Stadt von 18030 Einwohnern drei gotische Backsteinmeisterwerke

Der Elde-Fluss fließt heute ruhig vorbei an den mittelalterlichen Wallanlagen, während ich durch Parchims leere Gassen wandere. Dieses mecklenburgische Städtchen mit 18.030 Einwohnern auf 84 Quadratkilometern scheint auf den ersten Blick unscheinbar. Doch was ich hier entdecke, lässt mich verblüfft zurück: Auf kleinstem Raum vereint Parchim drei gotische Meisterwerke der europäischen Backsteingotik, durchzogen von einem Netz aus schimmernden Wasserläufen – und das praktisch ohne Touristen.

Während ich die Sonnenstrahlen auf dem roten Backstein der St. Georgenkirche beobachte, wird mir klar: Hier liegt eines der bestgehüteten Reisegeheimnisse Norddeutschlands. Und das trotz seiner perfekten Lage nur 40 Kilometer südöstlich von Schwerin und 170 Kilometer von Hamburg entfernt.

Das Backstein-Wunder: 3 gotische Meisterwerke auf nur 84 Quadratkilometern

Was Parchim besonders macht: Die außergewöhnliche Dichte an Backsteingotik. Während viele Hansestädte ein prominentes Bauwerk haben, besitzt diese Kleinstadt gleich drei monumentale Meisterwerke – die Kirchen St. Georgen und St. Marien sowie das imposante Rathaus – alle aus dem 13. Jahrhundert und Teil der Europäischen Route der Backsteingotik.

Die Wallanlagen, die ich jetzt entlangspaziere, wurden 2018 aufwändig saniert und verwandeln die mittelalterliche Stadtbefestigung in eine grüne Oase. Der Kontrast zwischen den massiven Backsteinmauern und den sanften Grüntönen schafft eine beinahe surreale Atmosphäre. Hier stehen mittelalterliche Architekturschätze in direktem Dialog mit anderen mecklenburgischen Perlen wie Anklam, doch mit einem entscheidenden Unterschied: Hier bin ich fast allein.

Was sofort auffällt: Während 30-40% der Altstadt aus historischen Gebäuden bestehen, beträgt das Verhältnis von Einwohnern zu jährlichen Besuchern etwa 1,5:1 – ein erstaunlicher Kontrast zu Wismar, wo auf jeden Einwohner etwa vier Touristen kommen.

Parchims verborgene Wasserwege: Deutschlands Alternative zu Giethoorn

Die Überraschung wird noch größer, als ich die Altstadt verlasse und den Wockersee erreiche. Parchim wird von der Elde und ihren Seitenarmen durchzogen, die ein Netzwerk aus Wasserstraßen bilden. Diese machen die Stadt zu einer Art deutsches Giethoorn – jedoch mit einem mittelalterlichen Twist und ohne die Menschenmassen.

Die Müritz-Elde-Wasserstraße bietet mehr als 50 Kilometer Radwege und unzählige Möglichkeiten zum Paddeln. Während Sie Parchims Wasserwege erkunden, lohnt sich ein Ausflug zur einzigartigen Bascule-Brücke im nahen Wolgast – ein weiteres architektonisches Highlight der Region.

„Man kann einen ganzen Tag durch diese Stadt wandern und dabei ständig zwischen mittelalterlicher Geschichte und unberührter Natur wechseln. Diese Kombination findet man sonst nirgendwo in Norddeutschland.“

Beim Mittagessen im Schatten der Wallanlagen entdecke ich, dass die Einheimischen ihre Stadt liebevoll „uns Pütt“ nennen – eine Bezeichnung, deren Bedeutung selbst meine Wirtin nicht vollständig erklären kann, die aber die tiefe Verbundenheit der Bewohner mit ihrer Stadt ausdrückt.

Parchims historisches Erbe ist Teil einer reichen hanseatischen Tradition, die sich bis nach Rostock erstreckt, wo Europas größtes Segelschifftreffen stattfindet. Doch während die großen Hansestädte von Touristen überlaufen sind, bewahrt Parchim seine Authentizität.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der perfekte Zeitpunkt für einen Besuch ist jetzt im Sommer 2025, wenn die sanierten Wallanlagen in voller Blüte stehen und die Wasserwege zum Paddeln einladen. Parken Sie kostenlos am Parkplatz Wallallee und erkunden Sie die Stadt am besten zu Fuß oder mit dem Rad.

Mein Geheimtipp: Buchen Sie eine Bootstour am Wockersee früh morgens um 9 Uhr, wenn das Licht perfekt auf die Backsteinfassaden fällt. Besuchen Sie danach die Räuber-Vieting-Höhle – ein lokales Mysterium, das mit regionalen Räuberlegenden verbunden ist und nur wenige Touristen anzieht.

Während ich Parchim verlasse, denke ich an die Worte meiner siebenjährigen Tochter Emma, die mir vor der Reise sagte: „Bring mir ein Geheimnis mit!“ Ich habe nicht nur eines gefunden, sondern eine ganze Stadt voller Geheimnisse. Wie ein gut gehüteter Familienschatz liegt Parchim da – verborgen vor den Massen, aber bereit, seine Türen für diejenigen zu öffnen, die bereit sind, abseits der ausgetretenen Pfade zu wandern.