Weniger touristisch als Stralsund beherbergen 56.252 Greifswalder Deutschlands letzte handbediente Klappbrücke seit 1887

Der Nebel lichtet sich langsam über dem Museumshafen, während ich über die hölzernen Planken der handgezogenen Klappbrücke von Wieck spaziere. Greifswald erwacht an diesem Junimorgen wie ein gut gehütetes Geheimnis der Ostseeküste. Mit gerade einmal 56.252 Einwohnern verteilt auf 50,81 Quadratkilometer erscheint diese Hansestadt wie ein Mikrokosmos maritimer Geschichte – ohne die Touristenmassen, die andere Küstenstädte überfluten. Vor mir erhebt sich die mittelalterliche Skyline mit drei markanten Backsteinkirchen, deren rote Türme in der Morgensonne glühen.

Eine Hansestadt mit 56.252 Einwohnern und 3 gotischen Backsteinkirchen auf 50 Quadratkilometern

Greifswald ist ein wahres Juwel unter den Hansestädten – mit einem erstaunlichen Verhältnis von drei majestätischen Backsteinkirchen zu seiner kompakten Größe. Der historische Marktplatz, gepflastert mit 11.000 Quadratmetern Lausitzer Granit, bildet das pulsierende Zentrum, umrahmt von farbenfrohen Giebelhäusern aus dem Mittelalter.

Was diese Stadt von ihren bekannteren Schwestern unterscheidet, ist die nahtlose Verbindung von Universität und maritimem Flair. Die 1456 gegründete Universität verleiht den mittelalterlichen Straßen eine jugendliche Energie, während der Museumshafen mit historischen Segelschiffen an die Handelsgeschichte erinnert. Ein lokaler Fischhändler erklärt mir: „Wat de Schipper seggt“ – was der Kapitän sagt – gilt hier noch als ungeschriebenes Gesetz.

Die Verbindung zum Meer spüre ich besonders beim Anblick der manuell bedienten Holzklappbrücke im Stadtteil Wieck. Seit 1887 wird sie täglich von Hand geöffnet, um Segelbooten die Passage zu ermöglichen – ein lebendiges Relikt maritimer Tradition, das man in anderen Hansestädten vergeblich sucht. Während in Naumburg 27.863 Einwohner Deutschlands schönste Stifterfiguren bewundern, zeigt Greifswald einen ganz anderen Aspekt deutscher Kulturgeschichte.

Wie Tallinn in klein: Historische Architektur ohne Touristenmassen

Greifswald erinnert mich an ein kleines Tallinn – mit verwinkelten Gassen und gotischer Architektur, aber ohne die Touristenströme, die durch die estnische Hauptstadt fließen. Die drei gotischen Kirchentürme bilden eine ähnliche Silhouette, doch hier kann man sie in Ruhe bewundern, während der Duft frisch geräucherter Fische vom Hafen herüberzieht.

„Im Sommer sitze ich oft auf dem Marktplatz und genieße meinen Kaffee, während in anderen Hansestädten die Besucher sich durch die Gassen drängen. Hier teilen wir unseren Platz höchstens mit ein paar Studenten und lokalen Familien.“

Diese Authentizität ist Gold wert. Während ich durch die Fußgängerzone schlendere, entdecke ich Cafés, in denen Professoren und Fischhändler nebeneinander sitzen. In den historischen Mauern der Stadt lebt auch das Erbe des berühmten Malers Caspar David Friedrich, der hier geboren wurde. Die Klosterruine Eldena, die er verewigte, liegt nur 3 Kilometer östlich des Zentrums.

Diese Verbindung von Kunst, Wissenschaft und maritimer Tradition macht Greifswald einzigartig. Während Halberstadt im Westen seit 2001 das längste Musikstück der Welt beherbergt, verzaubert Greifswald mit seiner stillen, unaufdringlichen Schönheit.

Der Geheimtipp für 2025: Sommerfestivals und maritime Entdeckungen

Planen Sie jetzt Ihren Besuch für 2025, wenn Greifswald sein 775-jähriges Stadtjubiläum feiert. Der absolute Höhepunkt wird der MV-Tag vom 20. bis 22. Juni sein – das größte Landesfest Mecklenburg-Vorpommerns mit 12 Themenbereichen und über 90 Ausstellern vor der Kulisse der mittelalterlichen Altstadt.

Besonders empfehlenswert ist eine Kayaktour auf dem Ryck-Fluss, der die Stadt mit der Ostsee verbindet. Von hier aus können Besucher auch zum mysteriösen Ostsee-Findling mit bronzezeitlichen Kultgeheimnissen gelangen, der nur eine kurze Fahrt entfernt liegt.

Die Greifswalder Bachwoche, das älteste Musikfestival Mecklenburg-Vorpommerns, bietet klassische Konzerte in den beeindruckenden Backsteinkirchen. Wer nach dem Besuch des maritimen Greifswald weitere Geheimtipps erkunden möchte, sollte die geheimsten Schloss-Kasematten in Gotha nicht verpassen.

Praktischer Reiseführer: Die perfekte Erkundung des Hansejuwels

Besuchen Sie Greifswald am besten zwischen Mai und September, wenn die maritimen Aktivitäten in vollem Gange sind. Parken Sie kostenlos am Museumshafen und erkunden Sie die Stadt zu Fuß – vom Hafen zum Marktplatz sind es nur 800 Meter.

Die Klappbrücke in Wieck wird täglich um 9:20, 11:20, 14:20 und 17:20 Uhr geöffnet – ein unvergessliches Schauspiel. Besuchen Sie die Klosterruine Eldena am frühen Morgen, um das Licht einzufangen, das Friedrich in seinen Gemälden verewigte.

Naturliebhaber können ihre Reise durch Nordostdeutschland mit einem Besuch des brandenburgischen Ortes fortsetzen, der drei UNESCO-Naturschutzgebiete vereint. Die perfekte Ergänzung zu Greifswalds maritimem Charme.

Während Sarah Fotos der handgezogenen Klappbrücke macht, denke ich an all die Hansestädte, die ich bereist habe. Greifswald ist wie ein Gedicht in Backstein – leiser gesprochen als seine großen Schwestern, aber mit einer Tiefe, die länger nachhallt. Wie die Pommern sagen würden: „Dat Water treckt“ – das Wasser zieht einen an. Und in Greifswald zieht es einen immer wieder zurück, zu dieser perfekten Balance aus maritimer Geschichte, akademischer Lebendigkeit und hanseatischer Gelassenheit.