Weniger touristisch als Rothenburg ob der Tauber versteckt diese sächsische Kleinstadt von 8.256 Einwohnern ein mittelalterliches Wasserschloss

Der Morgenwind streicht über mein Gesicht, als ich durch die schmale Kopfsteinpflasterstraße von Penig schlendere. Mit nur 8.256 Einwohnern und einer historischen Dichte, die mich sofort beeindruckt, fühle ich mich wie in einer Zeitkapsel. Das mittelalterliche Wasserschloss erhebt sich vor mir, seine Mauern aus dem 12. Jahrhundert reflektieren golden in der aufgehenden Sonne. Penig liegt versteckt im Herzen Sachsens, 20 Kilometer südwestlich von Chemnitz, doch die wahre Überraschung ist nicht die Nähe zur Großstadt, sondern die erstaunliche Konzentration historischer Schätze auf gerade einmal 63,325 Quadratkilometern.

Ein mittelalterliches Juwel ohne Touristenmassen

Anders als im überlaufenen Rothenburg ob der Tauber, wo ich letzten Sommer kaum ein Foto ohne fremde Gesichter machen konnte, begegne ich hier nur einer Handvoll Einheimischer. Das Alte Schloss Penig, urkundlich 1355 als „Castrum Penik“ erwähnt, gehört zu den besterhaltenen historischen Bauwerken der Region und steht anderen deutschen historischen Gebäudeschätzen in nichts nach.

Ich streife durch die Renaissance-Anlage, deren Treppenturm aus dem 16. Jahrhundert noch teilweise erhalten ist. Die Stille ist fast greifbar. Während meiner zweistündigen Erkundung begegne ich nur drei weiteren Besuchern – in Rothenburg wären es hunderte gewesen. Die Geschichte der Burggrafen von Altenburg, die Penig gründeten, ist in jedem Winkel spürbar. Ihr Wappen, die rote Rose, schmückt noch heute das Stadtbild.

„Hier bekommt man ein authentisches Mittelalter-Erlebnis ohne die Inszenierung für Touristen. Das Schloss und die Kellerberge kann man oft ganz für sich allein genießen. Im Sommer sitze ich manchmal stundenlang an der Mulde, ohne dass jemand vorbeikommt.“

Zwischen Papiermühle und Naturwunder

Was Penig besonders macht, ist die ungewöhnliche Kombination aus historischem Erbe und Naturerlebnissen. Die Stadt beherbergt nicht nur ein mittelalterliches Wasserschloss, sondern auch die geheimnisvolle Naturformation der Kellerberge – ein geologisches Phänomen mit Höhlen, in denen ganzjährig Temperaturen von 8-10°C herrschen.

Die Tradition der Papierherstellung seit 1537 repräsentiert ein wichtiges Kapitel deutscher historischer Industriekultur und prägt bis heute die Identität der Stadt. Besonders bemerkenswert: In der Peniger Papiermühle wurden 1772 die ersten deutschen Papiergeldnoten hergestellt – die „Churfürstlich Sächsischen Cassen Billets“.

Beim Wandern entlang der Zwickauer Mulde entdecke ich die abwechslungsreiche Landschaft, die ähnlich wie die beeindruckenden erzgebirgischen Naturwunder eine geologische Besonderheit darstellt. Auf dem Mulderadweg treffe ich nur zwei andere Radfahrer – ein Luxus der Einsamkeit, den überlaufene Touristenziele nicht bieten können.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der ideale Zeitpunkt für einen Besuch in Penig ist der frühe Sommer 2025, wenn die Temperaturen angenehm sind und die Zwickauer Mulde perfekte Bedingungen für Kanufahrten bietet. Parken Sie kostenlos am Schlossplatz und beginnen Sie Ihre Erkundung von dort aus zu Fuß – das gesamte historische Zentrum ist innerhalb von 15 Minuten zu umrunden.

Für das beste Erlebnis besuchen Sie das Kultur- und Schützenhaus, wo die regionale Identität Penigs sich in lokalen Traditionen widerspiegelt, ähnlich wie in anderen mitteldeutschen Kulturlandschaften, jedoch mit eigenem Charakter. Ein Geheimtipp der Einheimischen: Besteigen Sie den Aussichtsturm der St. Laurentius-Kirche für einen atemberaubenden Blick über die Stadt und das Muldental.

Die Geschichte des Alten Schlosses Penig ist ähnlich faszinierend wie andere mittelalterliche Schlossgeschichten der Region, jedoch mit einer besonderen Verbindung zur Papierindustrie. Nach dem Stadtbrand von 1711 und der Zerstörung der Papiermühle haben die historischen Gebäude eine bewegte Geschichte hinter sich.

Als ich am späten Nachmittag durch die Altstadt zurückschlendere, beobachte ich, wie die untergehende Sonne die Fassaden in warmes Licht taucht. Sarah würde die Fotomotive lieben, denke ich, während Emma von den geheimnisumwobenen Kellerbergen fasziniert wäre. Penig ist wie ein kostbares Buch mit unaufgeschnittenen Seiten – ein Schatz, der darauf wartet, entdeckt zu werden, fernab der ausgetretenen Pfade des Massentourismus.