Weniger touristisch als Rothenburg ob der Tauber beherbergt diese nordrhein-westfälische Stadt von 16.337 Einwohnern 68 Baudenkmäler

Die verschlafene Stadtsilhouette erscheint zwischen sanften Hügeln, als ich mit dem Mietwagen von der B252 abbiege. Brakel – 16.337 Einwohner stark, aber irgendwie größer als die Zahl vermuten lässt. Der Grund offenbart sich beim Einparken: Überall ragen historische Fachwerkhäuser und Steinbauten empor. Was mich aber wirklich verblüfft: In dieser kleinen nordrhein-westfälischen Stadt befinden sich 68 geschützte Baudenkmäler auf gerade einmal 173,72 Quadratkilometern. Das ist eine Dichte, die selbst viele berühmte Hansestädte übertrifft.

Während Sarah Fotos der imposanten Stadtkirche macht, recherchiere ich: Brakel wurde bereits 836 n. Chr. erstmals urkundlich erwähnt. Die Mittelgebirgslandschaft des Nethegaus umgibt die Stadt wie ein natürlicher Schutzwall – vielleicht ein Grund, warum so viele historische Schätze hier überdauert haben.

68 Baudenkmäler auf 173 km²: Brakels überraschende historische Dichte

Der Marktplatz mit seinen liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern ist das pulsierende Herz von Brakel. Hier werden pro Quadratmeter mehr Geschichten erzählt als in manchem Museum. Über 25% der 280 Gebäude in der Altstadt stehen unter Denkmalschutz – ein Wert, der selbst Lemgo mit seinen 450 Baudenkmälern in Relation zur Größe in den Schatten stellt.

Was diese Stadt besonders macht: Die Konzentration an historischer Architektur beträgt 0,39 Denkmäler pro Quadratkilometer – für Liebhaber historischer Architektur ein wahres Paradies. Dabei ist jedes Gebäude einzigartig. Mal erkennt man den Einfluss der Weserrenaissance, mal gotische Elemente.

Während ich durch die „stillen Gassen“ am Kirchplatz schlendere, fällt mir auf, dass hier tatsächlich Ruhe herrscht – anders als in Wismar, wo trotz monumentaler Backsteingotik Touristengruppen das Stadtbild prägen. In Brakel finde ich mich oft als einziger Besucher wieder.

Das nordrhein-westfälische Elburg: Hanseatisches Erbe abseits der Touristenströme

Brakel erinnert mich stark an das niederländische Elburg – eine kleine Hansestadt mit perfekt erhaltenem historischen Kern, jedoch ohne die Besuchermassen größerer Hansestädte. Der Unterschied: Hier treffe ich fast ausschließlich auf Einheimische.

„Man kann hier noch durch die Altstadt schlendern und hat das Gefühl, in einer anderen Zeit zu sein. Kein Gedränge, keine Warteschlangen – nur Geschichte zum Anfassen. Das ist unser kleines Geheimnis zwischen Egge und Weser.“

Ähnlich wie Hornburg in Niedersachsen mit seinen 400 Fachwerkhäusern bietet Brakel einen erstaunlichen Reichtum an historischer Bausubstanz – jedoch mit dem Vorteil, dass sich hier noch kein Massentourismus breitgemacht hat.

Was mich besonders beeindruckt: Die 280 historischen Gebäude stehen im perfekten Kontrast zur überschaubaren Einwohnerzahl. Mit 1,7% der Einwohner pro Denkmal ist dies ein kultureller Reichtum, der seinesgleichen sucht.

Barockschloss Rheder und die Annentag-Kirmes: Kulturschätze im Verborgenen

Das Barockschloss Rheder liegt nur 5 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und beherbergt einen prachtvollen Barockgarten sowie ein Husarenmuseum. Während Werl jährlich 100.000 Pilger anzieht, lockt Brakel Besucher mit seinen hanseatischen Baudenkmälern und diesem versteckten Schloss.

Ein Highlight im Kalender: Der Annentag – die größte Innenstadtkirmes zwischen Weser und Egge, die jedes Jahr im Juli stattfindet. Anders als bei Bernkastel-Kues‘ Weinfest mit seinen 50.000 Besuchern können Sie hier ein authentisches, aber deutlich entspannteres Festerleben genießen.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der beste Zugang zur Altstadt erfolgt über den Parkplatz am Kaiserbrunnen, der kostenlos ist und nur 3 Gehminuten vom Marktplatz entfernt liegt. Besuchen Sie den historischen Kern am frühen Vormittag – dann haben Sie die mittelalterlichen Gassen fast für sich allein.

Der Kaiser-Wilhelm-Hain bietet nach der Stadterkundung einen perfekten Rückzugsort. Mit einem Höhenunterschied von 251,2 Metern zwischen tiefstem und höchstem Punkt der Stadt eröffnen sich hier atemberaubende Ausblicke auf die umliegende Landschaft.

Für Architekturliebhaber: Die Klosterkirche St. Peter & Paul in Gehrden (10 km entfernt) ist ein verstecktes Juwel mit frühromanisch-gotischen Elementen, das selbst in spezialisierten Architekturführern oft übersehen wird.

Als ich am Abend mit Emma telefoniere, versuche ich ihr die besondere Magie dieses Ortes zu erklären: „Stell dir vor, in jedem zweiten Haus könnte ein Museum sein – aber die Menschen leben einfach darin.“ Diese lebendige Geschichte macht Brakel zu einem Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart mühelos verschmelzen – wie ein perfekt erhaltenes Gemälde, das dennoch frische Pinselstriche erhält. So sollte Reisen sein: Nicht das Abhaken berühmter Orte, sondern das Entdecken jener Plätze, die ihre Seele bewahrt haben.