Weniger touristisch als Rothenburg ob der Tauber beherbergt diese nordrhein-westfälische Hexenstadt von 21.000 Einwohnern mystische Pilgerwege

Ein erster kühler Wind streicht über die Felder, als ich in Geseke eintreffe. Diese unscheinbare Stadt mit 21.000 Einwohnern und 98 Quadratkilometern Fläche versteckt sich im Herzen Nordrhein-Westfalens, 30 Kilometer südöstlich von Paderborn. Während Touristen in Scharen zu bekannten Fachwerkstädten pilgern, verbirgt Geseke ein faszinierendes Doppelleben: tagsüber beschauliche Kleinstadt, bei Einbruch der Dämmerung verwandelt sie sich in die sagenumwobene „Hexenstadt“ – während gleichzeitig fromme Pilger hier Station auf dem historischen Jakobsweg machen.

Wo Hexenkult und Pilgerwege aufeinandertreffen

Das Kontrastprogramm könnte kaum größer sein. Auf der einen Seite beherbergt Geseke das Hexenstadtfest, eine lokale Tradition, die mit mystischen Prozessionen und mittelalterlichem Markt die dunklen Legenden der Region zelebriert. Die Wurzeln reichen bis ins Mittelalter zurück, als Geseke als Grenzfestung des Kölner Erzbischofs diente.

Nur wenige hundert Meter entfernt führt der Jakobsweg mitten durch die Stadt – jene jahrtausendealte Pilgerroute, die bis nach Santiago de Compostela führt. Obwohl nicht so frequentiert wie Werl, das jährlich 100.000 Pilger empfängt, bietet Geseke eine der wenigen durchgehenden Pilgerherbergen nördlich der Alpen.

„Hier begegnen sich Welten, die sonst nie zusammenkommen würden. Mystiker und Pilger teilen sich dieselben Bänke in unseren Cafés. Diese Spannung macht den besonderen Geist unserer Stadt aus.“

Während die einen nach spiritueller Erleuchtung suchen, feiern die anderen unsere Hexentraditionen. Das ist Geseke – wir leben beide Seiten, ohne Widerspruch zu empfinden.

Mit einer Bevölkerungsdichte von nur 220 Einwohnern pro Quadratkilometer – weniger als ein Viertel typischer Städte in NRW – bietet Geseke außergewöhnlich viel Raum. Während in Bad Münstereifel mit seiner vollständig erhaltenen Stadtmauer Touristen durch enge Gassen drängen, kann man hier in weitläufigen Landschaften wandern.

Mystik und Spiritualität unter einem Himmel

Das Hexenstadtfest im Sommer verwandelt Geseke in ein mittelalterliches Spektakel mit Hexenprozessionen und mystischen Aufführungen. Anders als bei Wasungen mit Deutschlands ältester Karnevalstradition, wo fröhliches Narrentum dominiert, geht Geseke mit seinen Festivitäten einen mystischeren Weg.

Gleichzeitig finden Pilger in der Stiftskirche St. Cyriakus einen Ort der Einkehr. Das mittelalterliche Bauwerk mit romanischen und gotischen Elementen beherbergt frühmittelalterliche Reliquien und dient als wichtiger Stützpunkt für Jakobsweg-Wanderer.

In Geseke fließen Welten ineinander, die anderswo streng getrennt bleiben. Während lokale Legenden von Hexenzusammenkünften erzählen, berichten Pilger von spirituellen Erfahrungen auf ihrem Weg nach Santiago. Diese kulturelle Dualität macht Geseke zu einem einzigartigen Reiseziel im Sommer 2025.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Die beste Zeit für einen Besuch ist zwischen Juni und August, wenn sowohl die Festivalsaison als auch die Pilgersaison ihren Höhepunkt erreichen. Erreichen können Sie Geseke am einfachsten über die A44, etwa 20 Minuten vom Flughafen Paderborn-Lippstadt entfernt.

Anders als bei Ilsenburg mit seiner unberührten Naturlandschaft besteht Gesekes Naturcharme in der harmonischen Verbindung von Kulturlandschaft und Naturräumen. Für Insidererlebnisse fragen Sie nach dem „St. Cyriakus‘ Lichtweg“ – nur Einheimische kennen diese Abkürzung zum authentischen Nachtleben der Pilgerherbergen.

Wer früh aufsteht, wird mit einem atemberaubenden Sonnenaufgang über den Lippeauen belohnt – ein perfekter Moment für Fotografen. Ortskundige empfehlen außerdem den „Hexenpunsch“, einen lokalen Kräuterlikör mit Beeren und Wacholder, der die mystische Tradition der Stadt im Glas einfängt.

Als ich Geseke verlasse, nehme ich diese einzigartige Dualität mit. Meine Frau Sarah hätte die mystischen Geschichten geliebt, während unsere Tochter Emma von den Hexenlegenden fasziniert gewesen wäre. Geseke ist wie ein Sonnwendfeuer im westfälischen Land – ein Ort, wo Gegensätze nicht konkurrieren, sondern tanzen. Hier verschmelzen Mystik und Glaube zu etwas Neuem, das man entdecken muss, bevor der Rest der Welt davon erfährt.