Der Nebel löst sich langsam auf, als ich meinen Mietwagen auf einem kleinen Parkplatz mit Blick auf die Ostsee abstelle. Vor mir liegt Laboe, ein verschlafenes 5.551-Einwohner Ostseebad, das auf den ersten Blick wie viele andere wirkt. Doch was diesen unscheinbaren Ort auszeichnet, wird sofort klar, als sich der Morgendunst lichtet und ich den 72 Meter hohen Turm des Marine-Ehrenmals erblicke. Es ist ein erstaunlicher Kontrast – ein Dorf mit gerade einmal 5,23 Quadratkilometern Fläche beherbergt ein Monument von internationaler Bedeutung.
5.551 Einwohner, aber jährlich über 100.000 Besucher
Als ich durch die malerischen Straßen des Oberdorfes schlendere, wird mir die besondere Struktur dieses Ortes bewusst. Laboe hat seinen Ursprung als slawisches Runddorf bewahrt – eine architektonische Rarität an der Ostseeküste. Trotz seiner bescheidenen Einwohnerzahl empfängt das Dorf jährlich mehr als 100.000 Besucher.
Das bedeutet ein faszinierendes Verhältnis von 1:18 zwischen Einwohnern und Touristen. „Es ist, als hätte jeder Einwohner 18 Gäste zum Kaffee eingeladen“, erklärt mir schmunzelnd der Betreiber eines kleinen Cafés am Hafen, während er mir einen dampfenden „Moin Moin“ – so nennt er seinen speziellen Morgenkaffee – serviert.
Die größte Überraschung für mich liegt am Ende der Strandpromenade. Dort thront das U-Boot U-995, eines der letzten erhaltenen U-Boote des Zweiten Weltkriegs weltweit, das heute als Museum dient. Während ich durch die engen Gänge des U-Boots krieche, wird die Realität des Lebens auf See greifbar. Jeder Zentimeter wurde genutzt, jeder Raum hatte mehrere Funktionen.
Warum Kenner Laboe dem überlaufenen Kiel vorziehen
Nur 10 Kilometer von der Großstadt Kiel entfernt, bietet Laboe eine völlig andere Atmosphäre. Während ich Rendsburg mit seiner seltenen Schwebefähre vor zwei Tagen besuchte, erlebe ich hier in Laboe das perfekte Gleichgewicht zwischen maritimer Geschichte und entspanntem Strandleben.
„Ich komme seit 30 Jahren hierher. Früher mit meinen Kindern, jetzt mit meinen Enkeln. Kiel hat seinen Charme, aber hier in Laboe atme ich echte Seeluft, nicht Stadtluft mit Meerblick.“
Die historische Windmühle auf dem Hügel zieht meinen Blick auf sich. Sie brannte zweimal ab – 1904 und 1914 – wurde aber 1923 wieder aufgebaut und dient heute als beliebter Veranstaltungsort für Hochzeiten. Von hier oben kann ich die gesamte Kieler Förde überblicken.
Der Hafen von Laboe ist kleiner und authentischer als sein großer Nachbar in Kiel. Hier ankern Segeljachten neben Fischerbooten, und in den Restaurants wird frischer Fisch serviert. Anders als Meldorf mit seinem weltweit einzigartigen Löffelmuseum setzt Laboe auf maritime Tradition statt auf Kuriosität.
Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen
Der beste Zeitpunkt für einen Besuch des Marine-Ehrenmals ist früh morgens oder nach 17 Uhr, wenn die Busgruppen abgereist sind. Parken Sie kostenlos am Strandparkplatz und nehmen Sie den 10-minütigen Spaziergang entlang der Promenade – ein Genuss mit Blick aufs Meer.
Für das authentischste Laboe-Erlebnis empfehle ich einen Besuch des Rosengartens, der im Sommer in voller Blüte steht. Verbinden Sie dies mit einem Abstecher zur Meeresbiologischen Station, die faszinierende Einblicke in die Unterwasserwelt der Ostsee bietet. Und wenn Sie nach weiteren historischen Schätzen in der Region suchen, ist Schleswig mit seinem bedeutenden Wikinger-Weltkulturerbe nur eine kurze Fahrt entfernt.
In der Tapas-Bar „Moin Moin“ treffen Sie auf Einheimische, die Ihnen bei einem lokalen Bier gerne von den maritimen Festivals erzählen, die im Sommer 2025 den Hafen beleben werden.
Als ich Laboe verlasse, nehme ich ein Gefühl mit, das mich an meine Reisen zu den kleinen Fischerorten der dänischen Südsee erinnert. Sarah, meine Frau, würde die Runddorf-Architektur lieben, und meine Tochter Emma wäre von den Geschichten über die U-Boot-Fahrer fasziniert. In Laboe verschmelzen maritime Geschichte und ostseekühle Gegenwart zu einem Erlebnis, das in keinem standardisierten Reiseführer angemessen beschrieben werden kann – wie ein perfekt geknüpfter Seemannsknoten, klein aber unverzichtbar auf der Karte der versteckten Schätze Norddeutschlands.