Weniger bekannt als Oberwiesenthal, diese sächsische Stadt von 7.500 Einwohnern produziert Akkordeons und Olympiasieger

Der Morgen in Klingenthal beginnt mit dem sanften Klingen von Harmonikas, das durch die schmalen Straßen dieser 7.500-Einwohner-Stadt schwebt. Ich stehe vor dem Musikinstrumenten-Museum, während die Sonne gerade über das Erzgebirge klettert. Diese sächsische Kleinstadt, nur 30 Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt, verbirgt ein faszinierendes Paradox: In einem Ort, der kleiner ist als viele Stadtteile von Dresden, wurden einst 90% aller deutschen Harmonikas produziert – und gleichzeitig hat die Stadt über 20 Olympiamedaillengewinner hervorgebracht.

Mein lokaler Kontakt, ein ehemaliger Instrumentenbauer, wartet bereits am Eingang. „Heute zeige ich Ihnen, warum wir die einzige Stadt der Welt sind, die sowohl Weltklasse-Akkordeons als auch Weltklasse-Skispringer produziert“, sagt er mit hörbarem Stolz.

7.500 Einwohner, 1.000 Instrumente und 20 Olympiasieger: Eine unwahrscheinliche Kombination

Im Musikinstrumenten-Museum bin ich sofort von der schieren Masse an handgefertigten Meisterwerken überwältigt. Über 1.000 historische Instrumente sind hier ausgestellt, darunter Raritäten wie mehrstöckige Konzertinas und mechanische Musikautomaten aus dem 19. Jahrhundert. In klimatisierten Räumen werden diese Schätze bewahrt – ein beeindruckendes Erbe für eine so kleine Stadt.

„In der Blütezeit arbeiteten hier mehr als 20 Manufakturen gleichzeitig“, erklärt mein Begleiter, während er vorsichtig ein Akkordeon aus einer Vitrine nimmt. „Diese Instrumente wurden in über 80 Länder exportiert, lange bevor man von Globalisierung sprach.“

Diese überraschende kulturelle Tiefe ist charakteristisch für Sachsen, wo auch Radebeul mit seiner einzigartigen Kombination aus Weinkultur und Winnetou-Literatur begeistert. Doch Klingenthal geht noch einen Schritt weiter.

Was die Stadt wirklich einzigartig macht, ist ihre parallele Exzellenz im Wintersport. Mit mehr als 20 Medaillengewinnern im Skispringen und der Nordischen Kombination hat Klingenthal eine der höchsten Olympiasieger-Dichten weltweit. Als ich aus dem Museum trete, sehe ich bereits die imposante Vogtland Arena am Horizont.

Von Harmonika-Werkstätten zu olympischen Sprungschanzen: Die versteckte Seele Klingenthals

Die Vogtland Arena, eine der modernsten Skisprungschanzen Europas, thront majestätisch auf 936 Metern Höhe. Selbst im Sommer beeindruckt die Anlage durch ihre Dimensionen. Sachsens handwerkliche Exzellenz zeigt sich nicht nur in Klingenthals Musikinstrumenten, sondern auch in Zwickaus reicher Automobilgeschichte.

„Hier verbinden sich zwei scheinbar gegensätzliche Welten. Die Präzision, die für den Bau eines perfekten Akkordeons nötig ist, findet sich auch in der technischen Perfektion wieder, die ein Skispringer braucht. Beides verlangt absolute Hingabe und Detailgenauigkeit.“

Diese Kombination ist weltweit einzigartig. Selbst Castelfidardo in Italien, international bekannt für seinen Akkordeonbau, kann keine vergleichbare Sportgeschichte vorweisen. Während ich durch die Stadt spaziere, entdecke ich Gedenktafeln an früheren Manufakturen neben Ehrungen für olympische Helden – eine visuelle Chronik dieser ungewöhnlichen Dualität.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der beste Zugang zur Vogtland Arena ist mit der Erlebnisbahn „WieLi“, die Besucher für nur 5 Euro zur Aussichtsplattform des Schanzenturms bringt. Von dort genießt man einen 270-Grad-Panoramablick über das gesamte Vogtland und das Erzgebirge. Während Sie Klingenthal erkunden, sind Sie nur eine kurze Fahrt von Sachsens geologischen Wundern im Erzgebirge entfernt.

Besuchen Sie das Musikinstrumenten-Museum am frühen Vormittag, wenn die Führungen beginnen und Sie an nachgestellten Bauprozessen traditioneller Instrumente teilnehmen können. Im Sommer 2025 bietet die 800 Meter lange Sommerrodelbahn Mühlleithen ein besonderes Erlebnis – die besten Fahrzeiten sind zwischen 11 und 14 Uhr, wenn die Bahn trocken und gleichmäßig glatt ist.

Klingenthal reiht sich damit ein in Deutschlands besondere Kleinstädte mit überraschenden Qualitäten, wie auch diese norddeutsche Stadt mit ihrer unglaublichen Seendichte. Nach Ihrem Besuch empfehle ich, Ihre Reise durch Sachsens verborgene Schätze mit einem Abstecher nach Penig fortzusetzen, wo ein mittelalterliches Wasserschloss auf Sie wartet.

Während ich meine Kamera einpacke und einen letzten Blick auf die Vogtland Arena werfe, denke ich an das, was meine Frau Sarah immer sagt: Die wahren Schätze einer Reise findet man oft an Orten, die nicht in den Hochglanzbroschüren prangen. Klingenthal ist wie ein perfekt komponiertes Musikstück – unscheinbar auf den ersten Blick, aber voller Tiefe und Überraschungen bei näherem Hinhören. In einer Welt von überlaufenen Touristenzielen hat diese kleine Stadt ihre authentische Melodie bewahrt – eine Harmonie aus handwerklicher Tradition und sportlicher Exzellenz, die Sie nirgendwo sonst finden werden.