Weniger bekannt als Hallstatt versteckt diese sächsische Stadt von 1700 Einwohnern 80 Kilometer Wanderwege

Der Morgenwind trägt den Duft von Fichtenholz und feuchtem Waldboden, als ich in Sayda aus dem Auto steige. In dieser 1.700-Einwohner-Stadt im Erzgebirge erwartet mich eine Überraschung, die ich nirgendwo sonst in Deutschland gefunden habe: Ein unglaubliches Verhältnis von 47 Metern Wanderweg pro Einwohner. Die schmale mittelalterliche Straße führt mich direkt zum imposanten Kirchturm, der seit 1391 über diesem versteckten Juwel wacht.

Mittelalterliche Bergstadt mit überraschendem 47-Meter-Wanderweg pro Einwohner

Als ich durch die kopfsteingepflasterten Gassen schlendere, enthüllt sich Saydas unerwartetes Geheimnis. Diese winzige Gemeinde unterhält ein 80 Kilometer langes Wanderwegenetz – eine Infrastruktur, die manche deutsche Großstadt beschämen würde.

„Wir haben immer gesagt, dass unsere Wälder unsere wahren Kathedralen sind“, flüstert mir ein älterer Herr zu, während er an seinem morgendlichen Kaffee nippt. In seinen Augen erkenne ich den Stolz, den nur echte Erzgebirgler kennen.

Die Hallenkirche „Zu unserer lieben Frauen“ mit ihrem 62 Meter hohen Turm dominiert das Stadtbild – ein mittelalterliches Meisterwerk, das in einer Stadt dieser Größe völlig unerwartet kommt. Als ich die schmale Wendeltreppe erklimme, offenbart sich eine Panoramasicht über das gesamte Erzgebirge.

Im Heimatmuseum „Hospital zu St. Johannis“ entdecke ich, dass Sayda seit 1442 das Stadtrecht besitzt und einst ein wichtiger Knotenpunkt der historischen Salzstraße von Halle nach Prag war. Die Kombination aus reicher Geschichte und alpiner Natur macht diese Stadt so besonders.

Hallstatt ohne Touristenmassen: Warum Kenner Sayda bevorzugen

Im Gegensatz zu Bad Tölz mit seiner prächtigen Alpenarchitektur zeigt Sayda eine rustikalere, authentisch erzgebirgische Bauweise. Die Bergsilhouetten und mittelalterlichen Strukturen erinnern mich an das österreichische Hallstatt – jedoch ohne dessen erdrückende Touristenmassen.

„Hier atmet man noch echtes Erzgebirge. Kein Souvenirshop-Labyrinth, keine Reisebusse. Nur Natur, Geschichte und Menschen, die hier wirklich leben.“

Die Wanderwege sind selbst an Wochenenden erstaunlich leer. Während das kleine Dorf Forst im Hunsrück ähnlich authentische Erlebnisse bietet, überrascht Sayda mit seiner alpinen Prägung fernab der bayerischen Alpen.

Ähnlich wie im thüringischen Bürgel mit seiner einzigartigen Töpfertradition wird auch in Sayda handwerkliches Können über Generationen bewahrt. Die lokale Holzschnitzkunst zeigt sich besonders im charakteristischen Saydaer Schwibbogen, einer besonderen Variation des erzgebirgischen Weihnachtsschmucks.

Der 62-Meter Kirchturm, der seit 630 Jahren über das Erzgebirge wacht

Während Görlitz mit 4000 denkmalgeschützten Gebäuden als Filmkulisse berühmt wurde, konzentriert sich Saydas Charme auf seinen mittelalterlichen Kern mit dem imposanten Kirchturm und dem über 100 Jahre alten Wasserturm.

Als ich durch die Kirchentür trete, umfängt mich die kühle Luft von sechs Jahrhunderten Geschichte. Die spätgotische Hallenkirche ist für eine Stadt dieser Größe bemerkenswert ambitioniert – ein Zeugnis einstmaligen Wohlstands durch Silberbergbau.

Vom Turm aus sehe ich die gewundenen Wanderpfade, die sich durch die herbstlich gefärbten Wälder schlängeln. Im Winter verwandeln sich viele dieser Wege in 45 Kilometer gespurte Loipen, wie mir ein lokaler Wanderführer erklärt.

Die perfekte Herbstwanderung 2025: Von mittelalterlichen Gassen zu goldenen Wäldern

Während Sayda im Herbst durch seine Wanderwege beeindruckt, lockt das nahegelegene Altenberg Winterbesucher mit spektakulärem Nachtrodeln und 500 Jahren Bergbaugeschichte. Doch im September 2025 gehört das Erzgebirge den Wanderern.

Die besten Routen starten direkt am Marktplatz. Der Mortelgrund-Rundweg (7 km) bietet die spektakulärsten Herbstfarben, besonders am frühen Vormittag, wenn das Licht durch die Blätter bricht. Kostenlose Parkplätze finden Sie direkt am Rathaus.

Für ein authentisches kulinarisches Erlebnis empfehle ich das „Gasthaus zum Erzgebirge“, wo Kartoffelsuppe mit Würstchen für nur 5,80 € serviert wird – ein Geheimtipp, den selbst Google Maps noch nicht kennt.

Als ich Sayda verlasse, nimmt meine Frau Sarah ein letztes Foto vom Kirchturm gegen den Herbsthimmel auf. Unsere Tochter Emma hat inzwischen eine kleine Holzfigur von einem lokalen Schnitzer erstanden – ein Bergmann, der von einem Ort erzählt, der seine Traditionen bewahrt hat, während die Welt um ihn herum sich verändert.

Wie ein gut gehütetes Familienrezept offenbart Sayda seine Schätze nur denjenigen, die bereit sind, abseits der ausgetretenen Pfade zu suchen. Und im goldenen Licht des Erzgebirge-Herbstes gibt es kaum einen lohnenderen Fund.