Die Abendsonne taucht den Hexentanzplatz in goldenes Licht, als ich den Motor abschalte. Hier stehe ich in Thale, einer 16.929-Einwohner-Stadt im Nordharz, die gerade eine kulturelle Revolution erlebt. Die Luft vibriert mit einer seltsamen Spannung – in nur 43 Tagen wurde hier die erste Aufführung des Musicals „Walpurga“ auf Deutschlands größter Naturbühne zum Sensationserfolg. Die Stadt liegt auf 156 Metern Höhe am Rande des Bodetals, doch ihr kulturelles Gewicht wächst exponentiell.
Es ist mein dritter Besuch im Harz, aber Thale hat sich komplett verwandelt. Während meine Frau Sarah Fotos vom Sonnenuntergang über der beeindruckenden Bergkulisse macht, flüstert mir ein älterer Herr zu: „Sie sind zur richtigen Zeit gekommen. Der Zauber ist zurück.“
Hexentanzplatz 2025: Wo Mystik auf 1903 Sitzplätze trifft
Das frisch renovierte Harzer Bergtheater auf dem Hexentanzplatz ist der Mittelpunkt dieser Kulturexplosion. Mit einer Investition von 31,5 Millionen Euro wurde die historische Naturbühne modernisiert und fasst nun 1903 Sitzplätze – eine symbolische Zahl, die an das Gründungsjahr erinnert.
Die Magie des Ortes liegt in der Kombination aus jahrhundertealter Mystik und hochmoderner Bühnentechnik. Während Blankenburg mit seinem monumentalen Welfenschloss beeindruckt, setzt Thale auf lebendige Mystik und die kraftvolle Naturkulisse des Harzes.
Die am 31. Mai 2025 uraufgeführte „Walpurga“ ist keine gewöhnliche Show. Sie verbindet lokale Hexenlegenden mit moderner Musikproduktion und nutzt die natürliche Akustik der Felsformationen. Ich beobachte, wie sich die Abendbesucher auf dem Platz versammeln, ihre Gesichter vom Restlicht des Tages und der Vorfreude erhellt.
Warum Thales Hexenkultur authentischer als Salem (USA) ist
Anders als in Salem, Massachusetts, wo die Hexenverfolgung kommerziell ausgeschlachtet wird, wurzelt Thales Hexenglauben tief in vorchristlichen Traditionen. Der Hexentanzplatz ist kein künstlich erschaffener Touristenmagnet, sondern ein seit Jahrhunderten mystisch aufgeladener Ort.
Während Orte wie Seelow mit historischen Gedenkstätten ihre Identität finden, verbindet Thale Mythologie mit Bühnenkunst zu einem lebendigen Erlebnis. Die lokale Bezeichnung „Walpurgis-Feier“ wird hier nicht als Marketing-Gag verwendet, sondern als lebendige Tradition gepflegt.
„Die Amerikaner haben ihre Hexen verbrannt und verkaufen jetzt Plastik-Besen. Wir haben unsere Hexen verehrt und lassen sie heute tanzen. Das spürt man hier bei jedem Schritt.“
Diese Authentizität zeigt sich auch in den Besucherzahlen: Während die Stadt nur 16.929 Einwohner hat, zieht allein die Rosstrappe jährlich 200.000 Besucher an – ein bemerkenswertes Verhältnis von 1:12.
Was der Intendant über die 31,5 Millionen € Investition sagt
Ronny Große, Intendant des Bergtheaters, strahlt beim Rundgang: „Wir haben jetzt wohl das schönste Naturtheater Deutschlands.“ Die Investition hat nicht nur die Bühne, sondern das gesamte Kulturangebot der Region wiederbelebt.
Im Gegensatz zu Plau am See mit seinen kreativen Badewannenrennen setzt Thale auf kulturelles Erbe mit modernem Twist. Die Kombination aus traditionellen Sagen und zeitgenössischer Interpretation schafft eine einzigartige Atmosphäre.
Besonders beeindruckend: Die neue LED-Wand und die ausgeklügelte Akustik ermöglichen Vorstellungen, die mit internationalen Produktionen mithalten können – mitten in der Natur, umgeben von 137,9 Quadratkilometern Harzlandschaft.
Der optimale Besuchsplan: Seilbahn, Hexentanzplatz und Bodetal
Für den perfekten Thale-Besuch sollten Sie morgens um 9 Uhr mit der Seilbahn zum Hexentanzplatz fahren (12,50 € Hin- und Rückfahrt). Die Glaskabinen bieten spektakuläre Ausblicke auf das Bodetal. Vormittags ist der Tierpark mit über 70 heimischen Arten noch angenehm leer.
Nach einem Mittagessen im Bergrestaurant (Tipp: probieren Sie die „Harzer Hexensuppe“ für 6,90 €) lohnt sich der kurze Fußweg zur Rosstrappe mit ihren mystischen „Pferdehufen“ im Fels – ein 250 Millionen Jahre altes Naturphänomen.
Theatervorstellungen beginnen meist um 19:30 Uhr, aber kommen Sie früher, um die Abendsonne über dem Tal zu genießen. Bei Bauarbeiten am Hexentanzplatz: Nutzen Sie den kostenlosen Shuttle vom Parkplatz „Waldfrieden“.
Als ich abends im Bergtheater sitze und die Hexentänze über mir an den Felsen zu tanzen scheinen, wird mir klar: Thale hat die perfekte Balance zwischen Naturwunder und Kulturerlebnis gefunden. Eine Einladung in eine Welt, wo Sagen lebendig werden – nicht in kitschigen Souvenirläden, sondern in der kraftvollen Umarmung der Berge selbst. Meine Tochter Emma wird die fliegenden Hexen lieben, wenn ich sie im August mitbringe.