Dieses Rheinland-Pfalz Dorf von 3.037 Einwohnern wählte 1346 einen Kaiser für ganz Europa

Die Sonne glänzt auf dem majestätischen Rhein, während ich durch die Kopfsteinpflasterstraßen von Rhens schlendere. Mit nur 3.037 Einwohnern erscheint dieses bescheidene Städtchen zunächst unscheinbar. Doch was vor mir liegt, ist nichts weniger als ein mittelalterliches Machtzentrum – der Ort, an dem 1346 ein Kaiser gewählt wurde, der ganz Europa prägen sollte. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Eine Kleinstadt, die einst den Mittelpunkt des Heiligen Römischen Reiches bildete.

Nur 10 Kilometer südlich von Koblenz gelegen, scheint Rhens in der Zeit stehen geblieben zu sein. Als ich mich dem historischen Königsstuhl nähere, kann ich förmlich die Echos vergangener Macht spüren. Hier veränderten die Kurfürsten den Lauf der europäischen Geschichte, während heute Zugvögel über dem Rhein kreisen und Fahrradfahrer gemächlich vorbeiziehen.

Wo 3.037 Einwohner ein mittelalterliches Davos bewahren

Was Rhens so außergewöhnlich macht, ist der schwindelerregende Kontrast zwischen heutiger Beschaulichkeit und einstiger politischer Weltbedeutung. An diesem Ort, dem Königsstuhl zu Rhens, wurde 1346 Karl IV. zum römisch-deutschen König gewählt – vergleichbar mit einem mittelalterlichen G7-Gipfel.

Während ich die rekonstruierte Wahlstätte betrachte, wird mir bewusst: Hier trafen sich die sieben Kurfürsten, die mächtigsten Männer ihrer Zeit, um über das Schicksal Europas zu entscheiden. Der Königsstuhl wurde übrigens 1795 zerstört und erst 1842 durch den Architekten Johann Claudius von Lassaulx wiederaufgebaut.

Rund 30-40% der Gebäude in Rhens stehen unter Denkmalschutz – eine beeindruckende Dichte historischer Substanz. Die Stadt bewahrt ihre mittelalterliche Seele mit einer Authentizität, die in anderen rheinischen Kleinorten oft verloren gegangen ist.

Im Schatten der Stadtmauer entdecke ich das Deutsche Haus, ein prächtiges Fachwerkgebäude, das Einblicke in die Stadtgeschichte bietet. Gleich daneben steht das Kurkönische Amtshaus, ein Zeugnis der einstigen Verwaltungsmacht.

Ein historisches Juwel im Schatten der Touristenströme

Anders als im nahegelegenen Bacharach oder in Königswinter, wo Reisebusse die engen Gassen verstopfen, bewahrt Rhens eine ruhige, fast vergessene Atmosphäre. Hier gibt es keine Touristenmassen, die den Blick auf die Geschichte verstellen.

„In Rhens spürt man die Geschichte mit jedem Schritt, ohne sich durch Souvenirläden kämpfen zu müssen. Die Stille hier lässt dich förmlich hören, wie die Kurfürsten vor Jahrhunderten debattierten – ein seltenes Erlebnis in unserer hektischen Zeit.“

Im Gegensatz zu Stein am Rhein in der Schweiz, das eine ähnliche Fachwerkarchitektur aufweist, bleibt Rhens ein unentdecktes Juwel. Während ich den Rheinsteig entlangwandere, der direkt am Ort vorbeiführt, treffe ich mehr Einheimische als Touristen – ein Luxus für authentische Reiseerlebnisse im Jahr 2025.

Die lokale Tradition der Rhenser Eierspende, bei der im Frühjahr die Geschichte der Agnes von Flören erzählt wird, zieht hauptsächlich regionale Besucher an. Keine internationalen Touristenströme, kein Overtourism – nur echtes Rheinland-Pfalz.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der beste Zugang nach Rhens erfolgt über die B9, mit kostenfreien Parkplätzen am Rheinufer. Alternativ können Sie mit dem Regionalzug bis Rhens Bahnhof fahren und sind in zwei Minuten im historischen Zentrum.

Besuchen Sie den Königsstuhl am frühen Morgen oder späten Nachmittag, wenn das Licht für Fotografen optimal ist. Die Ruppertsklamm, eine wenig bekannte Schlucht in der Nähe, bietet zudem eine wunderbare Wandermöglichkeit abseits der Touristenpfade.

Mein Insider-Tipp: Der Scharfenturm, Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung, wird von Reiseführern selten erwähnt, bietet jedoch einen fantastischen Blick auf die Rheinschleife. Und wer im Sommer 2025 kommt, kann das einmalige Erlebnis der abendlichen Rheinpromenade genießen, wenn die Einheimischen zum „Sundowner“ zusammenkommen.

Als ich Rhens verlasse, nehme ich das Gefühl mit, einen Ort entdeckt zu haben, wo Geschichte nicht museal konserviert, sondern lebendig bewahrt wird. Meine Frau Sarah würde die Fachwerkfassaden lieben, und unsere Tochter Emma wäre begeistert vom Entdecken mittelalterlicher Geheimgänge. Wie ein gut gehütetes Familienrezept bewahrt Rhens seine Geheimnisse für jene, die bereit sind, abseits der ausgetretenen Pfade zu suchen. In einer Zeit, in der authentische Erlebnisse selten werden, ist diese kleine Stadt am Rhein ein kostbarer Schatz, den es zu entdecken gilt.