Das Wasser in der Lippe glitzert wie ein Band aus flüssigem Silber, während ich über eine der 115 Brücken schlendere, die diese beschauliche Stadt durchziehen. Hier, nur 80 Kilometer östlich von Dortmund, versteckt sich Lippstadt – eine Stadt mit gerade einmal 68.890 Einwohnern, aber mit einem unglaublichen Netzwerk aus 750 Kilometern Wasserstraßen. Während die Morgensonne die Fachwerkhäuser in goldenes Licht taucht, wird mir klar: Ich habe Deutschlands bestgehütetes Venedig-Geheimnis entdeckt. Die Umfluten, Kanäle und der Lippefluss weben ein Wassernetz, das auf gerade einmal 114 Quadratkilometern dichter ist als in der berühmten italienischen Lagunenstadt.
Deutschlands verstecktes Venedig: 750 km Wasserstraßen in einer 68.890-Einwohner Stadt
Die Zahlen sind verblüffend: Auf jeden Quadratkilometer Stadtfläche kommen 6,6 Kilometer Wasserstraßen – ein Verhältnis, das selbst Venedig in den Schatten stellt. Während ich durch die mittelalterlichen Gassen schlendere, überquere ich alle paar Minuten eine neue Brücke.
Die historische Altstadt ist von Wasserläufen durchzogen, die ursprünglich Teil der Festungsanlagen waren. Als einzige Stadt in Westfalen trägt Lippstadt offiziell den Beinamen „Venedig Westfalens“ – ein Titel, der seit Jahrhunderten besteht, aber international kaum bekannt ist.
Der Kontrast könnte nicht größer sein: Statt überfüllter Gondeln gleiten hier vereinzelte Kanus durch das klare Wasser. Anstelle von Touristenmassen begegne ich morgens am Grünen Winkel nur einer Handvoll Einheimischer, die ihre Hunde ausführen. Die Stiftsruine, deren Grundmauern auf das Jahr 1190 zurückgehen, spiegelt sich im stillen Wasser – ein Anblick, für den man in Venedig Stunden anstehen müsste.
Während andere historische Kleinstädte wie Fritzlar mit ihren Fachwerkhäusern vor allem für ihre Architektur bekannt sind, ist es in Lippstadt die einzigartige Verbindung aus mittelalterlichem Stadtbild und Wasserwegen, die den besonderen Charme ausmacht.
115 Brücken zwischen Mittelalter und Moderne: Ein überraschender Kontrast
In dieser Stadt kommt auf jeweils 599 Einwohner eine historische Brücke – ein Verhältnis, das in Deutschland seinesgleichen sucht. Die ältesten stammen aus dem 16. Jahrhundert und verbinden Fachwerkhäuser, die nach dem großen Stadtbrand von 1656 errichtet wurden.
Während Wolfenbüttel für seine erhaltenen Fachwerkhäuser bekannt ist, überrascht Lippstadt mit seinem Wassernetz und dem bemerkenswerten industriellen Kontrast: Hier produziert der Automobilzulieferer Hella Scheinwerfer für jedes vierte Auto weltweit – hochtechnologische Präzisionsarbeit inmitten mittelalterlicher Kulisse.
„Wir sagen immer: In Venedig musst du um dein Leben kämpfen, in Lippstadt kannst du leben. Das Wasser gehört uns, nicht den Touristen. An manchen Sommermorgen sitze ich mit meinem Kaffee am Wasser und höre nur die Vögel und das Plätschern der Lippe.“
Diese Ruhe ist es, die Lippstadt so besonders macht. Während der Sommermonate, wenn andere aufstrebende Sommerziele wie Glowe bereits von Besuchern überlaufen werden, bleibt es hier erstaunlich entspannt. Die Lippeauen mit ihren seltenen Vogelarten und frei lebenden Wildpferden bieten Naturerlebnisse, für die man anderswo lange suchen müsste.
Was Lippstadt von Venedig unterscheidet: Authentizität statt Massentourismus
Der beste Zugang zum versteckten Venedig führt über den Grünen Winkel, wo Sie kostenlose Parkplätze finden. Von dort erreichen Sie die Altstadt in 5 Gehminuten. Besuchen Sie die Stadt am frühen Morgen, wenn das Licht die Wasserläufe in magisches Gold taucht.
Ein Geheimtipp: Im Peters SchokoWelt können Sie nicht nur den Schokobrunnen bestaunen, sondern auch die limitierte „Stiftsruinen-Schokolade“ probieren – eine Rezeptur, die auf archäologischen Funden aus dem 14. Jahrhundert basiert und nur hier erhältlich ist.
Während andere deutsche Städte ihre Geschichte inszenieren, bleibt Lippstadt authentisch. Über 30% der Gebäude stehen unter Denkmalschutz, werden aber normal bewohnt und genutzt – keine Museumsstadt, sondern lebendiges Kulturerbe.
Sommer 2025: Perfekte Zeit für eine Entdeckungsreise ins Venedig Westfalens
Für meinen letzten Abend habe ich mir ein lokales Geheimnis aufgehoben: Den Sonnenuntergang von der Alberssee-Terrasse aus zu beobachten, während die 115 Brücken der Stadt nach und nach beleuchtet werden. Meine Frau Sarah würde diese Lichtstimmung lieben – kein Wunder in einer Stadt, die Beleuchtungssysteme für die halbe Welt produziert.
Lippstadt ist wie ein Gedicht aus Wasser und Stein – ein Vers in Westfalens kulturellem Erbe, den kaum jemand kennt. Während andere überraschende Städte mit Höhenrekorden beeindrucken, ist es hier die Tiefe des Wassers und der Geschichte, die verzaubert. Besuchen Sie dieses versteckte Juwel, bevor der Rest der Welt es entdeckt – die 750 Kilometer Wasserstraßen warten nur darauf, erforscht zu werden.