Dieses deutsche Dorf von 4.433 Einwohnern produziert 50 Millionen Flaschen Rotkäppchen-Sekt jährlich

Die morgendliche Septembersonne bricht durch die Wolken, als ich die Unstrut-Schleife umrunde und plötzlich Freyburg vor mir sehe – eine Stadt mit gerade einmal 4.433 Einwohnern, die in einem sanften Tal eingebettet liegt. Was die wenigsten wissen: Dieser winzige Ort produziert den berühmtesten Sekt Deutschlands. Der imposante Gebäudekomplex der Rotkäppchen-Sektkellerei dominiert das Stadtbild und verrät sofort, dass hier etwas Besonderes verborgen liegt. Die 1.200 Meter lange Stadtmauer umschließt eine Altstadt, die kleiner ist als manche Einkaufszentren in Berlin.

Das 4.500-Einwohner Geheimnis: Wie Freyburg Deutschlands Sekt-Hauptstadt wurde

Freyburg mag klein sein, aber seine Bedeutung ist kolossal. Millionen Flaschen Rotkäppchen Sekt verlassen jährlich diese Stadt – eine verblüffende Diskrepanz zwischen Ortsgröße und Produktionsvolumen. Zwischen historischen Fassaden und verwinkelten Gassen verbirgt sich eine der erfolgreichsten Getränkemarken Deutschlands.

„Die Verbindung von Wein und Sekt reicht hier bis ins Jahr 1856 zurück“, erklärt mir ein Kellermeister während meiner Morgentour durch die historischen Gewölbe. Die Luft ist kühl und feucht, durchtränkt vom Duft gärender Trauben. Ich streiche mit der Hand über die kalten Steinwände, die seit Jahrhunderten Zeuge der Sektherstellung sind.

Was Freyburg besonders macht, ist seine Lage im nördlichsten Qualitätsweinanbaugebiet Deutschlands. Während ich durch die Weinberge streife, entdecke ich Rebsorten wie Müller-Thurgau und Weißburgunder, die auf Muschelkalkböden gedeihen. Sarah, meine Frau, fotografiert die sanften Hänge, die jetzt im Herbst in goldenes Licht getaucht sind.

Die Terrassen, die sich 140 Meter über dem Meeresspiegel erstrecken, erzählen eine Geschichte, die älter ist als die meisten deutschen Städte. Freyburgs Weinbautradition begann bereits im 11. Jahrhundert – ein historisches Erbe, das sich in jedem Schluck widerspiegelt.

Herbst 2025: Die perfekte Zeit für eine Entdeckungsreise ins Unstruttal

Der September verwandelt die Landschaft in ein Farbenmeer aus Gold und Purpur. 2025 ist ein besonderes Weinjahr, wie mir lokale Winzer bestätigen. Die Kombination aus heißem Sommer und mildem Herbst verspricht einen außergewöhnlichen Jahrgang. Ähnliches gilt auch für andere deutsche Weinregionen wie das Bopparder Hamm mit seinen dramatischen Steillagen, die sich ebenfalls von ihrer spektakulärsten Seite zeigen.

„Manche kommen hierher und erwarten nichts Besonderes. Dann stehen sie plötzlich inmitten dieser jahrhundertealten Weinberge, mit Blick auf die Neuenburg, ein Glas Sekt in der Hand, und können nicht glauben, dass dieser Ort nicht in jedem Reiseführer steht.“

Während meines Besuchs erlebe ich genau diesen Moment des Erstaunens. Die Weinlese hat gerade begonnen, und die Weinberge sind voller Leben. Einheimische und Helfer arbeiten Hand in Hand, um die reifen Trauben zu ernten – eine Tradition, die seit Generationen unverändert geblieben ist.

Freyburg steht in einer langen Tradition deutscher Weinorte, die trotz ihrer geringen Größe Außerordentliches hervorbringen – wie auch das fränkische Escherndorf mit nur 300 Einwohnern, das seit fast einem Jahrtausend Spitzenweine produziert.

Was Freyburg von überlaufenen Weinorten wie Rüdesheim unterscheidet

Vergessen Sie die Touristenmassen in Rüdesheim am Rhein. Hier in Freyburg erleben Sie eine authentische Weinkultur ohne Souvenirläden an jeder Ecke. Die Stadt atmet Geschichte ohne Kitsch, bewahrt Tradition ohne sie zu vermarkten.

Während Freyburg für seinen Sekt bekannt ist, bieten andere historische Weinorte wie das badische Weindorf Endingen mit seiner 800-jährigen Tradition einen spannenden Vergleich.

Die Verbindung von mittelalterlichem Erbe und Weinbautradition findet sich in Deutschland an mehreren Orten – neben Freyburg auch im fränkischen Dettelbach mit seinen beeindruckenden 30 Wehrtürmen inmitten von Weinbergen.

Insidertipps: So erleben Sie die Weinlese und Sektproduktion hautnah

Der beste Zugang zur Stadt erfolgt über die B180 mit kostenfreien Parkplätzen am Stadtrand. Besuchen Sie die Rotkäppchen-Sektkellerei vormittags um 10 Uhr für eine Führung durch die historischen Gewölbe. Der Eintrittspreis von 12 Euro beinhaltet eine Verkostung dreier Sektsorten.

Die traditionellen Straußwirtschaften in den Weinbergen öffnen nur saisonal – aktuell bis Ende Oktober 2025. Dort servieren Winzer ihren eigenen Wein zusammen mit regionalen Spezialitäten in authentischer Atmosphäre.

Weinliebhaber schätzen die Vielfalt der deutschen Weinlandschaft – von Freyburg bis hin zu Hattenheim im Rheingau, wo 16 Weltklasse-Weingüter auf weniger als einem Quadratkilometer zu finden sind.

Als ich Freyburg verlasse, nehme ich nicht nur eine Flasche Sekt mit, sondern auch die Erinnerung an einen Ort, der seine Identität bewahrt hat. Ein Ort, wo meine siebenjährige Tochter Emma zwischen Weinreben spielen konnte, während Sarah und ich die Herbstsonne genossen. Freyburg ist wie ein gut gehütetes Geheimnis, das man am liebsten für sich behalten möchte – und doch zu besonders ist, um es nicht zu teilen. In einer Welt voller überlaufener Touristenziele ist diese kleine Sektstadt ein kostbares Juwel, das seine Schätze nur jenen offenbart, die bereit sind, abseits ausgetretener Pfade zu wandeln.