Dieses deutsche Dorf von 1.234 Einwohnern bietet 3.600 Restaurantplätze auf 6,57 Quadratkilometern

Ich biege mit meinem Mietwagen gerade von der Deutschen Weinstraße in die engen Gassen von Kallstadt ein, als mir das mathematische Wunder dieses Ortes bewusst wird. In diesem winzigen Dorf mit nur 1.234 Einwohnern finden sich mehr als 3.600 Restaurantplätze – das sind knapp drei Sitzplätze pro Einwohner. Selbst Berlin oder Hamburg können mit dieser gastronomischen Dichte nicht mithalten. Die Septembersonne taucht die Fachwerkhäuser und die umliegenden Weinberge in goldenes Licht, während die Ernte der berühmten Saumagen-Lage in vollem Gange ist.

Kallstadt: Das Dorf mit der höchsten Restaurant-Dichte Deutschlands

Das unscheinbare Kallstadt, nur 60 Kilometer südwestlich von Frankfurt gelegen, ist ein kulinarisches Phänomen. Während andere deutsche Weindörfer wie Hattenheim durch ihre hohe Konzentration an Weingütern beeindrucken, sticht Kallstadt durch seine gastronomische Dichte hervor.

Von exquisiten Feinschmeckerlokalen bis zu gemütlichen Straußwirtschaften – auf nur 6,57 Quadratkilometern findet sich hier ein kulinarisches Angebot, das jährlich bis zu 50.000 Besucher anzieht. Hinzu kommen 300 Gästebetten – ein Viertel der Einwohnerzahl – die Übernachtungsmöglichkeiten in verschiedenen Kategorien bieten.

Sarah fotografiert gerade ein jahrhundertealtes Fachwerkhaus, als eine Winzerin vorbeieilt. „Die Lese läuft auf Hochtouren“, erklärt sie mir. In den 270 Hektar Weinbergen rund um Kallstadt werden gerade die Trauben eingebracht – teilweise maschinell, in Spitzenlagen wie dem Saumagen aber noch immer von Hand.

Warum der ‚Saumagen‘ sowohl im Glas als auch auf dem Teller eine Spezialität ist

Das Faszinierendste an Kallstadt ist seine kulinarische Doppeldeutigkeit. Der Begriff „Saumagen“ bezeichnet hier nicht nur das traditionelle Pfälzer Gericht aus gefülltem Schweinemagen, sondern auch die 51 Hektar große Premium-Weinlage, die zu den besten der Pfalz zählt.

Die Weinlage Saumagen trägt einen Namen, dessen genauer Ursprung selbst die ältesten Einwohner nicht mehr kennen. Mit etwas Fantasie lässt sich in den Konturen des Weinbergs die Form eines Schweinemagens erkennen. Der leicht kalkhaltige Boden verleiht den Weinen eine besondere Mineralität und Eleganz.

„Nur hier in Kallstadt kannst du einen Saumagen trinken, während du einen Saumagen isst. Diese Dualität findet man nirgendwo sonst auf der Welt.“

Diese einzigartige Verbindung zwischen Speise und Wein wurde international bekannt, als der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl, ein großer Fan der Region, den Kallstadter Saumagen bei Staatsbesuchen servieren ließ. Während andere deutsche Weindörfer oft nur für ihre historischen Besonderheiten bekannt sind, vereint Kallstadt Geschichte und Kulinarik zu einem besonderen Erlebnis.

Herbst 2025: Die perfekte Zeit für Weinwanderungen nach der Saumagenkerwe

Der Besuch Mitte September 2025 könnte kaum besser getimed sein. Die berühmte „Saumagenkerwe“, das traditionelle Weinfest am ersten Septemberwochenende, ist gerade vorüber, und die Weinlese steht in voller Blüte. Die Weinkeller sind geöffnet, und die Winzer haben trotz der Erntearbeit Zeit für persönliche Führungen.

Für Weinliebhaber bietet sich jetzt die Chance, an Kellerführungen teilzunehmen und frisch gepressten Traubensaft zu probieren. Während die Ahr-Region für ihre Rotweine berühmt ist, konzentriert sich Kallstadt auf charaktervolle Weißweine aus der Lage Saumagen.

Der beste Zugang nach Kallstadt erfolgt über die Bundesstraße 271, mit kostenfreien Parkplätzen am Weingut am Nil oder beim Bismarckturm, der mit 36 Metern der höchste in Rheinland-Pfalz ist. Besuchen Sie die Weinberge am frühen Morgen, wenn die Septembersonne die Landschaft in magisches Licht taucht, oder am späten Nachmittag, wenn die Winzer von der Ernte zurückkehren.

Von Helmut Kohl bis zur Saumagenkerwe: Wie ein kleines Dorf kulinarische Geschichte schrieb

Die Verbindung zwischen diesem kleinen Dorf und der großen Politik reicht tiefer als nur Helmut Kohls Vorliebe für den Saumagen. Kallstadt ist auch der Herkunftsort der Großväter von Donald Trump und Henry John Heinz, dem Gründer des Ketchup-Imperiums. Eine verblüffende Tatsache, die im Dokumentarfilm „Kings of Kallstadt“ beleuchtet wurde.

Als ich mit Emma durch die engen Gassen schlendere, wird mir klar, dass Kallstadt ein Ort der Kontraste ist – winzig in seiner Größe, aber riesig in seiner kulinarischen Bedeutung. Die Pfälzer haben ein passendes Sprichwort: „Beim Esse un Drinke hält mer Leib un Seel zsamme“ (Beim Essen und Trinken hält man Leib und Seele zusammen). Nirgendwo scheint dieser Grundsatz lebendiger als in diesem 1.234-Seelen-Dorf mit seinen 3.600 Restaurantplätzen.

Während die Sonne hinter den Weinbergen versinkt und die Lichter in den zahlreichen Weinstuben angehen, verstehe ich, warum Kallstadt trotz seiner bescheidenen Größe ein kulinarisches Kraftzentrum ist – ein Ort, an dem Geschichte, Wein und Tradition nicht nur bewahrt, sondern jeden Tag aufs Neue gelebt werden.