Ich stehe an diesem goldenen Herbstmorgen auf dem Maintor und blicke über Marktbreit, als mich ein älterer Herr anspricht: „Wissen Sie, dass hier die Alzheimer-Krankheit ihren Namen bekam?“ Tatsächlich bin ich in einer 3.800-Einwohner-Stadt am Main, deren weltgeschichtliche Bedeutung in keinem Verhältnis zu ihrer Bekanntheit steht. Während jährlich Millionen Touristen nach Rothenburg ob der Tauber pilgern, wissen nur wenige, dass in diesem malerischen Ort am südlichsten Punkt des Maindreiecks der Mann geboren wurde, der eine Krankheit beschrieb, an der heute über 55 Millionen Menschen weltweit leiden.
In der morgendlichen Herbstsonne wirken die Fachwerkhäuser entlang der Hauptstraße wie aus einem Bilderbuch. Ein kleines Schild weist zum Geburtshaus von Dr. Alois Alzheimer, der hier 1864 das Licht der Welt erblickte und später, im Jahr 1906, erstmals die nach ihm benannte Demenzerkrankung wissenschaftlich beschrieb.
Die 3.800-Einwohner-Stadt, die eine weltbekannte Krankheit benannte
Das schlichte Geburtshaus steht still zwischen anderen historischen Gebäuden. Nichts deutet darauf hin, dass hier ein Mann geboren wurde, dessen Name heute in jeder Sprache der Welt bekannt ist. Das kleine Museum im Haus öffnet nur nach Voranmeldung – ein Hinweis darauf, wie wenig touristisch erschlossen dieser Ort noch ist.
„Das ist typisch für Marktbreit“, erklärt mir der Museumsführer. „Wir verstecken unsere Schätze nicht absichtlich, aber wir stellen sie auch nicht zur Schau.“ Ähnlich wie andere deutsche Städte mit überraschenden Verbindungen zu weltbekannten Persönlichkeiten hat Marktbreit ein faszinierendes Erbe, das auf Entdeckung wartet.
Während ich durch die kopfsteingepflasterten Gassen schlendere, fällt mir auf, wie authentisch alles wirkt. Keine Souvenirläden, keine Touristenmassen – stattdessen lokale Geschäfte, Weinhandlungen und kleine Cafés, in denen hauptsächlich Einheimische sitzen.
Dr. Alois Alzheimer: Vom Main in die Medizingeschichte
Im gotischen Rathaus aus dem 15. Jahrhundert, das heute als Heimatmuseum dient, finde ich weitere Informationen über den berühmten Sohn der Stadt. Alzheimer studierte Medizin in Berlin, Tübingen und Würzburg, bevor er als Psychiater arbeitete und schließlich die Krankheit beschrieb, die seinen Namen tragen sollte.
Während manche deutsche Kleinstädte für ihre religiöse Geschichte weltbekannt wurden, prägte Marktbreit die Medizingeschichte. Doch der Ort bleibt bescheiden – fast scheu gegenüber seinem Erbe.
„In Marktbreit erlebt man Deutschland, wie es einmal war – authentisch, unverfälscht und ohne Inszenierung für Touristen. Hier spürt man noch die Seele des alten Frankenlands, während man durch Gassen wandert, die schon Alzheimer als Kind durchstreifte.“
Das Malerwinkelhaus aus dem 15. Jahrhundert, ein beeindruckendes Fachwerkgebäude am Breitbach, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Es gehört zu den ältesten erhaltenen Gebäuden der Stadt und beherbergt heute ein Museum, das Einblicke in die lokale Geschichte gibt.
Eine doppelte wissenschaftliche Sensation – Alzheimer und Rieslaner-Reben
Marktbreit überrascht mit einer zweiten wissenschaftlichen Sensation: Hier kreuzte Dr. August Ziegler zwischen 1885 und 1937 die Rebsorte Rieslaner – eine der edelsten deutschen Weinsorten. Ähnlich wie bei anderen bayerischen Weindörfern mit Weltklasse-Weinen steht die Weinbautradition in Marktbreit in nichts nach.
Im Herbst 2025 ist der Zeitpunkt ideal, um die Weinlese mitzuerleben. Während meines Besuchs sehe ich Winzer, die geschäftig zwischen den Rebstöcken arbeiten. Die goldenen Blätter der Weinberge leuchten in der Herbstsonne – ein perfektes Fotomotiv für Sarah, die solche authentischen Momente liebt.
Ähnlich wie bei den keltischen Geheimnissen in Thüringen gibt es auch in Marktbreit Schätze, die auf ihre Entdeckung warten. Der lokale Wein, besonders der Rieslaner, ist definitiv einer davon.
Warum dieses historische Juwel noch immer ein Geheimtipp ist
Während meiner Recherchen stoße ich auf den Mainradweg, der bereits 2008 als erster Radfernweg vom ADFC mit fünf Sternen ausgezeichnet wurde. Er führt direkt an Marktbreit vorbei und bietet im Herbst atemberaubende Ausblicke auf das Maintal mit seinen goldenen Weinbergen.
Für Wanderer empfiehlt sich die 11 Kilometer lange „Traumrunde Marktbreit-Obernbreit“ oder der 15 Kilometer lange Kulturweg „Gnodstadter Dreieck“ mit neun informativen Stationen. Beide Routen sind perfekt, um die herbstliche Landschaft zu genießen.
Während viele Touristen die mittelalterlichen Wehrtürme anderer fränkischer Städte bewundern, bleibt Marktbreit ein unentdecktes Juwel. Die nahezu vollständige Befestigungsanlage mit zahlreichen Stadttoren und Türmen lässt sich auf dem Marktbreiter Turmweg erkunden.
Am besten besucht man Marktbreit an einem Wochentag vormittags, wenn die wenigen Tagestouristen noch nicht eingetroffen sind. Parken Sie kostenlos am Mainufer und erkunden Sie die Stadt zu Fuß – alles ist innerhalb von 15 Minuten erreichbar.
Als ich Marktbreit verlasse, nehme ich mehr mit als nur Fotos und Notizen. Ich trage das Gefühl mit mir, einen Ort entdeckt zu haben, der seine Bedeutung für die Weltgeschichte still und bescheiden trägt – genau wie der Mann, dessen Name heute für Millionen ein Begriff ist, ohne dass sie wissen, woher er kam. Manchmal findet man die größten Geschichten an den unscheinbarsten Orten.