Dieses Baden-Württemberg Dorf von 5.810 Einwohnern beherbergt Deutschlands letzte Glasmanufaktur seit 1723

Ich spüre die kühle Morgenluft im Gesicht, während ich durch die nebelverhangenen Straßen von Wolfach wandere. Mit 5.810 Einwohnern ist diese versteckte Schwarzwald-Perle ein Flüstern zwischen den Bergen. Doch was mich hier wirklich fasziniert, offenbart sich erst beim Öffnen einer unscheinbaren Tür: Die Dorotheenhütte, gegründet 1723, ist Deutschlands letzte aktive Mundblas-Glasmanufaktur. Das flüssige Feuer tanzt vor meinen Augen, während ein Meister mit präzisen Bewegungen ein Kunstwerk erschafft.

In dieser 5.800-Seelen-Stadt überlebt die letzte Glasmanufaktur Deutschlands

Wolfach bewahrt ein Handwerk, das anderswo längst verschwunden ist. Von einst 17 Schwarzwälder Glasmanufakturen ist nur diese geblieben. Die Dorotheenhütte produziert funkelndes Bleikristall nach Traditionen, die Jahrhunderte überdauert haben. „Das ist keine Ausstellung“, erklärt mir der Meister, „hier lebt das Glas.“

Was diesen Ort so besonders macht: Besucher dürfen selbst zum Glasmacher werden. Für 12 Euro kann jeder unter fachkundiger Anleitung sein eigenes Kristallglas blasen. Sarah, meine Frau und Fotografin, hält den Moment fest, als glühende 1.200 Grad heiße Glasmasse sich unter meinem Atem formt.

Die Manufaktur liegt auf 260 Metern Höhe im idyllischen Kinzigtal. Ein kurzer Spaziergang durch die Altstadt führt vorbei am Rathaus mit detaillierten Fresken, die die Geschichte der Flößer erzählen – jener Männer, die einst Holz auf der Kinzig transportierten.

Warum diese Handwerkskunst wertvoller als Murano-Glas ist

Im Vergleich zum kommerziellen Glashandwerk in Murano, Italien, wo täglich tausende Touristen durch die Werkstätten strömen, bietet Wolfach eine intimere Erfahrung. Hier arbeiten nur sieben Meister, die jeden Besucher persönlich betreuen. Anders als bei den überlaufenen Attraktionen in größeren Schwarzwaldstädten bleibt die Authentizität bewahrt.

„In dreißig Jahren Reisen habe ich nirgendwo sonst erlebt, dass ein so seltenes Handwerk so zugänglich gemacht wird. Man fühlt sich nicht wie ein Tourist, sondern wie ein Lehrling in einer jahrhundertealten Tradition.“

Der Ortsteil Kirnbach, nur 4 Kilometer entfernt, beherbergt ein weiteres kulturelles Juwel: Hier ist einer der drei Ursprungsorte des berühmten Bollenhuts – jener rot-pompösen Kopfbedeckung, die zum Symbol des Schwarzwalds wurde. Im Juli 2025 können Besucher beim Sommerfest des Imkervereins Kirnbach traditionelle Trachtenträgerinnen erleben.

Während die historischen Burgen Baden-Württembergs oft im Rampenlicht stehen, bietet Wolfach eine seltenere Verbindung zur Vergangenheit – durch Handwerk, das man berühren und erschaffen kann.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der beste Zugang zur Dorotheenhütte ist über den Parkplatz Vorstadtstraße, der kostenlos ist und nur 200 Meter entfernt liegt. Besuchen Sie die Manufaktur am frühen Vormittag (öffnet um 9:00 Uhr), wenn die Öfen frisch befeuert werden und die Luft vom Duft geschmolzenen Glases erfüllt ist.

Nach dem Glasblasenerlebnis empfehle ich einen Abstecher zur Mineralienhalde Grube Clara, nur 10 Minuten mit dem Auto entfernt. Hier können Familien nach Kristallen und Mineralien suchen – ein verborgenes Abenteuer, ähnlich wie die geologischen Wunder in anderen deutschen Regionen.

Im Sommer 2025 bietet die Nachtwächterführung jeden Freitagabend einen mystischen Blick in Wolfachs Geschichte. Treffen Sie den Nachtwächter um 21:00 Uhr am Marktplatz und lassen Sie sich durch die Gassen führen, während Geschichten von Flößern und Glasbläsern lebendig werden.

Warum der Sommer 2025 der perfekte Zeitpunkt ist

Das Siedlerfest am 5. und 6. Juli 2025 vereint lokale Traditionen mit Handwerksvorführungen. Emma, meine siebenjährige Tochter, war besonders fasziniert vom Kinderprogramm, bei dem kleine Glasbläser ihre ersten Kugeln formen dürfen.

Die milden Temperaturen zwischen 18 und 25 Grad machen Wolfach zum idealen Sommerziel, während südeuropäische Destinationen unter Hitzewellen leiden. Die verkehrsberuhigte Altstadt – seit einem Umgehungstunnel 1993 vom Durchgangsverkehr befreit – lädt zum entspannten Schlendern ein.

Wenn das Sonnenlicht durch die jahrhundertealten Gassen fällt und sich in den selbstgeblasenen Kristallgläsern bricht, versteht man, warum die Schwarzwälder sagen: „S’Glas isch d’Seel vum Wald“ – das Glas ist die Seele des Waldes. In Wolfach lebt diese Seele weiter, greifbar für jeden, der bereit ist, abseits der ausgetretenen Pfade zu suchen.