Diese deutsche Stadt von 49.028 Einwohnern blieb bis 1816 französisch und versteckt Anne Franks Familiengeschichte

Die scharfe Herbstsonne taucht die Festungsmauern in goldenes Licht, während ich durch das imposante Deutsche Tor in Landau schlendere. Mit 49.028 Einwohnern auf 82,94 Quadratkilometern wirkt diese Stadt in Rheinland-Pfalz zunächst unscheinbar. Doch hinter den Fassaden verbirgt sich ein faszinierendes Geheimnis: Landau gehörte bis 1816 zu Frankreich – ganze 124 Jahre länger als der Rest der Pfalz. Nur 90 Minuten von Frankfurt entfernt, entdecke ich eine Stadt, die französischen Charme mit deutscher Präzision verbindet.

Die französische Festung, die Anne Franks Familiengeschichte bewahrt

Die mächtigen Festungsanlagen stammen vom gleichen Architekten wie die UNESCO-geschützten Befestigungen im elsässischen Neuf-Brisach. Sébastien Le Prestre de Vauban, Festungsbaumeister Ludwig XIV., schuf hier zwischen 1688 und 1691 ein Meisterwerk militärischer Architektur, das Landaus französische Identität bis heute prägt.

Während ich durch die Kaufhausgasse schlendere, bleibe ich vor einem unscheinbaren Gebäude stehen. Das Frank-Loebsche Haus beherbergte einst das Gasthaus „Zur Blum“ und birgt eine erstaunliche Verbindung zur Weltgeschichte: Hier lebten im 19. Jahrhundert die Urgroßeltern von Anne Frank.

„Die wenigsten Besucher wissen, dass sie hier auf den Spuren einer berühmten Familiengeschichte wandeln“, erzählt mir ein älterer Herr, der gerade aus dem heutigen Kulturzentrum tritt. Tatsächlich bleiben die meisten Touristen in Heidelberg oder an der Weinstraße hängen, ohne diese historische Verbindung zu entdecken.

Warum Landau die perfekte Alternative zur überfüllten Provence ist

Nach dem 750-jährigen Stadtjubiläum im Jahr 2024 hat Landau noch immer sein authentisches Flair bewahrt. Anders als die touristisch überlaufene Mosel mit ihren dramatischen Steillagen bietet die Region um Landau sanfte Hügel und ein fast mediterranes Klima.

Mit 1.800 Sonnenstunden jährlich gehört Landau zu den wärmsten Regionen Deutschlands. Die umliegenden Weinberge profitieren vom milden Mikroklima, das französische Rebsorten wie Merlot und Cabernet Sauvignon gedeihen lässt – eine Seltenheit in deutschen Weinregionen.

„Man könnte meinen, man sei in der Provence, aber ohne die Touristenmassen und zu einem Drittel der Preise. Die gleiche Architektur, ähnliches Klima, aber authentischer.“

Während andere Universitätsstädte wie Heidelberg mit ihrem berühmten Riesenweinfass von Touristen überrannt werden, bleibt Landau mit seinen circa 9.000 Studenten ein Geheimtipp für Reisende, die authentische Kultur suchen.

Die Stadt liegt strategisch im Herzen der Südpfalz, nur 25 Kilometer von der französischen Grenze und 35 Kilometer vom Elsass entfernt. Diese Lage machte sie historisch zum Zankapfel zwischen Frankreich und Deutschland, was sich in der einzigartigen kulturellen Verschmelzung widerspiegelt.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der Herbst 2025 ist der perfekte Zeitpunkt für einen Besuch. Die Weinlese beginnt gerade, und die umliegenden Wälder des Pfälzerwaldes leuchten in warmen Herbstfarben. Besuchen Sie unbedingt die „Lunette 41“ – einen restaurierten Teil der Festungsanlage mit unterirdischen Gängen, die nur mit Führung zugänglich sind.

Während Städte mit berühmtem jüdischen Kulturerbe oft überlaufen sind, können Sie im Frank-Loebschen Haus die Familiengeschichte der Franks in aller Ruhe erkunden. Die Führungen finden dienstags bis samstags statt und kosten nur 3 Euro.

Ein verstecktes Highlight ist das Café im Deutschen Tor, das jeden Morgen ab 8 Uhr öffnet. Von hier aus beobachte ich, wie die ersten Sonnenstrahlen die französisch anmutenden Fassaden am Rathausplatz in warmes Licht tauchen. Sarah würde die Architektur sofort für ihre Fotoserie über europäische Kulturverschmelzungen festhalten.

Als ich am Abend durch die Gassen schlendere, mischen sich die Düfte von pfälzischem Saumagen mit französischer Quiche – eine kulinarische Grenzüberschreitung, die die Seele dieser Stadt perfekt einfängt. Landau ist wie ein gut gehütetes Familiengeheimnis: wertvoll genug, um es zu teilen, aber noch nicht von Reisemassen entdeckt. Zumindest noch nicht.