Die Nachmittagssonne spiegelt sich auf den dampfenden Thermalbecken, während die Blätter des Park-Mammutbaumes über mir im sanften Herbstwind tanzen. Hier in Badenweiler, einem winzigen Kurort mit gerade mal 4.574 Einwohnern, halte ich inne und kann kaum fassen, was ich sehe: auf nur 22 Hektar Kurparkfläche wachsen über 150 verschiedene Baumarten – eine botanische Vielfalt, die deutschlandweit ihresgleichen sucht. Versteckt im südwestlichen Zipfel des Schwarzwaldes, auf 425 Metern Höhe, hütet dieser Miniaturort ein doppeltes Geheimnis: den artenreichsten Kurpark Deutschlands und eine 2000-jährige Thermaltradition.
22 Hektar mit über 150 Baumarten: Deutschlands baumartenreichster Kurpark
„Es ist wie ein botanisches Weltwunder in Taschenformat“, flüstert mir mein innerer Pflanzenliebhaber zu, während ich über gepflegte Kieswege zwischen jahrhundertealten Zedern, japanischen Schirmtannen und kalifornischen Mammutbäumen spaziere. Der 1758 angelegte Park beherbergt tatsächlich 6,8 verschiedene Baumarten pro 1.000 Quadratmeter – ein Wert, der selbst viele botanische Gärten in den Schatten stellt.
Was mich besonders fasziniert: Inmitten dieser Baumschätze versteckt sich ein Hildegard-von-Bingen-Garten mit über 100 verschiedenen Heilpflanzenarten. Während ich langsam durch die terrassenförmig angelegten Gärten schlendere, fällt mir auf, wie ähnlich die botanische Vielfalt der Rosenstadt Sangerhausen mit ihren 8.700 Rosensorten ist – beide Orte haben ihre botanische Leidenschaft zum Markenzeichen gemacht.
2000 Jahre Heilbadtradition: Von römischen Thermen zur modernen Wellness
Direkt neben dem Park öffnet sich ein Fenster in die Vergangenheit: Die besterhaltene römische Baderuine nördlich der Alpen zeugt davon, dass hier schon vor zwei Jahrtausenden Menschen die Heilkraft des Wassers zu schätzen wussten. „Aquae villae“ (Wasserdorf) nannten die Römer diesen Ort, an dem täglich eine Million Liter Thermalwasser aus dem Schwarzwaldgestein sprudeln.
„Ich komme seit 30 Jahren hierher. In Baden-Baden steht man Schlange, hier findet man noch echte Ruhe und dasselbe heilende Wasser – nur ohne den Rummel und zu einem Drittel des Preises.“
Die moderne Cassiopeia Therme greift diese Tradition auf und bietet ein erstaunliches Spa-Erlebnis, das mit den berühmten Anlagen in Bad Schandau, dem sächsischen Kneippheilbad, mithalten kann – nur dass Badenweiler seine jahrtausendealte Thermaltradition in den Mittelpunkt stellt.
Das mediterrane Geheimnis des Schwarzwalds: 1.700 Sonnenstunden jährlich
Was Badenweiler wirklich einzigartig macht, ist sein Mikroklima. Mit 1.700 Sonnenstunden pro Jahr übertrifft der kleine Kurort sogar die französische Riviera bei Nizza (1.650 Stunden) – eine klimatische Anomalie, die nur von Usedom mit seinen 1.917 Sonnenstunden übertroffen wird.
Vom Vogesenblick im Park aus schweift mein Blick über sanfte Hügel bis hinüber nach Frankreich. In der Ferne kann ich die Silhouette der Vogesen erkennen, während zu meinen Füßen 68 verschiedene Gutedel-Rebsorten im botanischen Schaugarten gedeihen – eine Vielfalt, die man sonst nur in spezialisierten Weingütern findet, ähnlich wie in Edenkoben mit seinen weltklasse Weingütern.
Die perfekte Zeit für Badenweiler: Warum Herbst die ideale Besuchssaison ist
Der goldene Herbst verwandelt den artenreichen Kurpark in ein Farbenmeer, während die 15-19°C Tagestemperaturen ideal für Erkundungen sind. Die Kombination aus kühler Herbstluft und dem 26-38°C warmen Thermalwasser verstärkt dabei den therapeutischen Effekt exponentiell – ein Geheimtipp, den mir die lokale Kurleitung verraten hat.
Für den perfekten Besuch empfehle ich die Anreise über die B3 mit kostenlosem Parken am Kurparkplatz. Der Park ist täglich ab 7 Uhr geöffnet, aber die botanischen Führungen finden nur bis Ende Oktober statt – die letzte Chance, Expertenwissen über die seltenen Baumarten zu erhalten.
Als ich am Abend mit meiner Frau Sarah auf dem Balkon unseres kleinen Hotels sitze, den Blick über die sanften Hügel des Markgräflerlands schweifen lasse und an unserem Gutedelwein nippe, wird mir klar: Badenweiler ist wie ein perfekt komponiertes Gedicht, in dem jede Zeile stimmt – von den römischen Wurzeln bis zur botanischen Vielfalt. In einer Zeit, in der alle nach Instagram-Hotspots suchen, bleibt dieser Ort ein authentisches Geheimnis für jene, die das Besondere im Kleinen zu schätzen wissen.
