Ich betrete Ehrenfriedersdorf an einem nebligen Septembermorgen, als die ersten Sonnenstrahlen die Dachziegel dieser 4.395-Einwohner Bergstadt im oberen Erzgebirge vergolden. Was auf den ersten Blick wie ein beschauliches sächsisches Städtchen wirkt, trägt seit 2019 einen UNESCO-Welterbetitel und verbirgt ein faszinierendes Geheimnis: Über 350.000 Besucher haben die Zinngrube seit ihrer Eröffnung erkundet – das sind erstaunliche 79,6 Besucher pro Einwohner. Nur 25 Kilometer südlich von Chemnitz gelegen, steht Ehrenfriedersdorf an der Schwelle zum internationalen Durchbruch.
Warum UNESCO-Experten diese 4.395-Einwohner-Stadt zum nächsten deutschen Reiseziel 2025 erklären
Seit die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří am 6. Juli 2019 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen wurde, hat sich etwas Bemerkenswertes entwickelt. Während Chemnitz als Europas Kulturhauptstadt 2025 internationale Aufmerksamkeit erhält, wächst im Stillen der Besucherandrang in Ehrenfriedersdorf.
Die Authentizität des über 800 Jahre alten Bergbauortes ist noch unberührt. Die Zinngrube, deren Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht, zieht Besucher mit einem einzigartigen Erlebnis an: dem Abstieg in ein echtes historisches Bergwerk. Als ich 100 Meter unter die Erde fahre, wird mir klar, dass hier Geschichte nicht inszeniert, sondern gelebt wird.
Das ArchaeoTin-Projekt, das 2025 neue archäologische Erkenntnisse über den mittelalterlichen Zinnbergbau liefert, wird die internationale Aufmerksamkeit weiter steigern. „Wir stehen am Wendepunkt“, erklärt mir ein Mitarbeiter des Besucherbergwerks. „In zwei Jahren wird man hier kaum noch einen Parkplatz finden.“
UNESCO-Welterbe ohne Touristenmassen: Was Ehrenfriedersdorf von Neuschwanstein unterscheidet
Ähnlich wie andere versteckte UNESCO-Schätze Deutschlands bietet Ehrenfriedersdorf eine Seltenheit: Weltklasse-Kulturerbe ohne die üblichen Besuchermassen. Während in Neuschwanstein jährlich 1,5 Millionen Touristen durch enge Gänge geschleust werden, kann ich hier in Ruhe die faszinierende Bergbautechnik erkunden.
Der Greifenbachstauweiher, Sachsens älteste Talsperre, glitzert im Morgenlicht, als ich nach meiner Bergwerksführung einen Spaziergang unternehme. Diese 23 Hektar Wasserfläche wurde ursprünglich für den Bergbau angelegt und ist heute ein idyllisches Naherholungsgebiet – die perfekte Symbiose aus Industriegeschichte und Natur.
„Hier erleben Sie echtes Erzgebirge, nicht die Touristenversion. Die Bergparade im Herbst ist noch authentisch, nicht für Fremde inszeniert. In fünf Jahren wird das anders sein, wenn die Welt Ehrenfriedersdorf entdeckt hat.“
Während das benachbarte Olbernhau für sein authentisches Spielzeugland bekannt ist, bietet Ehrenfriedersdorf eine tiefere Verbindung zur erzgebirgischen Identität. Die bronzenen Wildschweine des Bildhauers Carl Emanuel Wolff erinnern an die Legende des ersten Zinnfundes – eine Geschichte, die bis heute die Bergbauidentität prägt.
Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen
Der optimale Besuch gelingt über die B95 mit kostenlosem Parken direkt am Besucherbergwerk. Reservieren Sie unbedingt Ihre Bergwerksführung vorab – die beliebten 2,5-stündigen Erlebnisführungen sind oft Tage im Voraus ausgebucht. Alternativ gibt es 1,5-stündige Touristikführungen für Familien mit Kindern ab 6 Jahren.
Besuchen Sie Ehrenfriedersdorf am besten unter der Woche und außerhalb der sächsischen Schulferien. Der Herbst 2025 bietet ein perfektes Zeitfenster, bevor das 6-jährige UNESCO-Jubiläum und das 30-jährige Bestehen des Besucherbergwerks zu einem Besucheransturm führen werden.
Mein Geheimtipp: Die Greifensteine, eine bis zu 30 Meter hohe Granitfelsengruppe, sind für nur 1 Euro Eintritt zugänglich und bieten einen atemberaubenden Panoramablick. Im Herbst, wenn die Wälder in flammenden Farben leuchten, ist dieser Ort magisch – und kaum ein internationaler Reiseführer erwähnt ihn.
Während ich zum Abschied noch einen Blick auf die historischen Bergstadtgebäude werfe, denke ich an die Worte meiner Frau Sarah, die als Fotografin stets ein Auge für aufstrebende Orte hat: „Fotografiere alles, was du siehst – in fünf Jahren wird es nicht mehr so aussehen.“ Ehrenfriedersdorf ist wie ein kostbarer Erzklumpen, der gerade erst aus dem Stollen ans Licht geholt wird – roh, authentisch und bereit, seinen Wert zu offenbaren. Wer jetzt kommt, erlebt noch das echte Erzgebirge, bevor es der Welt gehört.
