Ich stehe auf dem mittelalterlichen Marktplatz von Apolda, umgeben vom rhythmischen Klang von Glocken, der durch die Luft schwingt. Diese 22.875-Einwohner-Stadt im Herzen Thüringens steht vor einem außergewöhnlichen Moment – in genau 33 Tagen beginnt hier der traditionelle Zwiebelmarkt, einer von drei besonderen Events, die 2025 zusammenfallen. Der Duft von frisch gebackenem Apfelstreuselkuchen zieht von einem nahegelegenen Café herüber, während ich durch die gepflasterten Straßen zur Glockengießerstraße schlendere, wo vor über 300 Jahren alles begann.
Warum Apolda 2025 zum europäischen Kreativ-Hotspot wird
Was dieses Jahr für Apolda besonders macht, ist eine seltene Dreifach-Konstellation: Der Apolda European Design Award (ein renommierter Wettbewerb, der nur alle drei Jahre stattfindet), der historische Zwiebelmarkt Ende September und das neu eröffnete GlockenStadtMuseum im beeindruckenden Eiermannbau. Selbst kleinere thüringische Städte wie Sondershausen mit seinem rekordverdächtigen Fachwerkturm können mit dieser kulturellen Dichte nicht mithalten.
Während ich durch die Ausstellung im Eiermannbau wandere, erzählt mir der Kurator, dass dies das einzige Jahr bis 2028 ist, in dem diese drei kulturellen Magneten gleichzeitig Besucher anziehen. „Die Hotelauslastung für Ende September liegt bereits bei 85% – ein Rekord für unsere kleine Stadt,“ flüstert er, während er mir ein maßstabsgetreues Modell der berühmtesten Glocke zeigt.
Die Stadt der Glockenmeister: Wie 22.875 Menschen 20.000 Glocken produzierten
Was Apolda wirklich einzigartig macht, ist das erstaunliche Verhältnis von 0,88 Glocken pro Einwohner. Über die Jahrhunderte haben die Glockengießer dieser Stadt mehr als 20.000 Glocken produziert, die heute auf allen fünf Kontinenten erklingen. Dies ist vergleichbar mit Bürgels historischer Töpfertradition, nur dass Apoldas Handwerkskunst global deutlich mehr Einfluss hatte.
Der Höhepunkt war zweifellos die „Decke Pitter“ – die schwerste freischwingende Glocke der Welt mit 24 Tonnen, die 1923 hier für den Kölner Dom gegossen wurde. Während Suhl für seine Waffenherstellung international bekannt ist, hat Apolda mit seinem Glockenguss eine ebenso bedeutende, aber friedlichere Tradition etabliert.
„Wenn Sie den Klang einer Apolda-Glocke hören, spüren Sie 300 Jahre Handwerkstradition in jeder Schwingung. Es ist, als würde die Geschichte selbst zu Ihnen sprechen – kraftvoll, klar und unverkennbar. Dieser Klang ist unser kulturelles Erbe, und er erreicht jedes Jahr mehr Menschen.“
Ich berühre ehrfürchtig eine der historischen Glockenformen und verstehe plötzlich, warum Kenner sagen: „Apolda ist für Glocken, was Meißen für Porzellan ist“ – eine Welthauptstadt eines traditionellen Handwerks mit globaler Bedeutung.
33 Tage vor dem Zwiebelmarkt: Was Sie jetzt planen müssen
Die Zeit drängt für jeden, der Apolda in seiner optimalen Phase erleben möchte. In genau 33 Tagen beginnt der traditionelle Zwiebelmarkt am letzten September-Wochenende, ein mittelalterliches Spektakel mit fünf Bühnen, handgefertigtem Kunsthandwerk und dem berühmten Bockbieranstich. Die besten Unterkünfte in 15 Minuten Gehdistanz zum Marktplatz sind bereits zu 70% ausgebucht.
Während Ilmenau mit seiner Goethe-Verbindung ganzjährig Besucher anzieht, konzentriert sich Apoldas kulturelle Energie auf diesen Herbsthöhepunkt. Der optimale Zeitpunkt für einen Besuch ist jetzt – die perfekte Balance zwischen sommerlicher Ruhe und dem bevorstehenden Festivaltrubel.
Mein Insider-Tipp: Reservieren Sie einen Platz für die Glocken-Akustik-Führung am Morgen des Marktbeginns um 8:30 Uhr. Diese exklusive Tour verbindet historische Erzählungen mit dem einzigartigen Klangerlebnis der original erhaltenen Glocken – ein multisensorisches Erlebnis, das nur zweimal im Jahr angeboten wird.
Design-Award trifft Glockenkultur: Die unerwartete Synergie
Was mir besonders auffällt, ist die faszinierende Verbindung zwischen traditionellem Handwerk und moderner Kreativwirtschaft. Der Apolda European Design Award lockt internationale Designer an und verbindet sie mit lokalen Handwerkstraditionen. Während Erfurt für seinen mittelalterlichen Judenschatz bekannt ist, zeigt Apolda, dass auch kleinere thüringische Städte kulturelle Schätze von internationaler Bedeutung beherbergen können.
Am Ende meines Tages setze ich mich auf eine Bank im Schatten der 70 Meter hohen Martinskirche. Der Glockenklang umhüllt die Stadt wie eine akustische Decke, und ich denke an all die Handwerker, die über Jahrhunderte hinweg Apolda zu dem gemacht haben, was es heute ist. Meine siebenjährige Tochter Emma würde die interaktiven Stationen im Museum lieben, und Sarah könnte stundenlang die farbenprächtige Architektur fotografieren.
In einer Welt von überlaufenen Touristenzielen ist Apolda wie ein perfekt komponiertes Musikstück – harmonisch, vielschichtig und mit einem überraschenden Finale, das noch lange nachklingt. Besuchen Sie es in den nächsten 33 Tagen, bevor der Rest der Welt diesen thüringischen Glockenklang entdeckt.