Ich stand an diesem sonnigen Augustmorgen vor dem 35 Meter hohen Glaselefanten im Maximilianpark und konnte kaum glauben, was ich sah. Hamm – eine Stadt mit 179.380 Einwohnern im Herzen Nordrhein-Westfalens – beherbergt nicht nur das weltweit größte begehbare Tiergebäude (Guinness-Weltrekord!), sondern auch Europas größten südindischen Tempel. Beide Attraktionen liegen nur 15 Minuten Fahrtzeit voneinander entfernt, doch seltsamerweise kennt kaum jemand außerhalb der Region diese ungewöhnliche Kulturfusion.
Während ich den Glaselefanten betrat, der früher eine Kohlenwäsche war, dachte ich: Wie kann eine mittelgroße deutsche Stadt solche kulturellen Extreme vereinen? Emma, meine Tochter, rannte begeistert die Treppen zum Aufzug hoch, der uns durch den Rüssel des Elefanten auf die Aussichtsplattform bringen würde.
Ein 35 Meter hoher Glaselefant trifft auf indischen Tempel: Hamms unerwartete kulturelle Schätze
Die Aussicht von der Plattform des Glaselefanten ist atemberaubend – 75% der Stadtfläche sind tatsächlich Grünflächen, was Hamm zu einer der grünsten Städte des Ruhrgebiets macht. Die ehemalige Industriestadt hat sich neu erfunden, ähnlich wie dieses hessische Dorf mit 23.162 Einwohnern, das Hundertwasser-Architektur zwischen historischen Kurgebäuden versteckt.
Der Sri Kamadchi Ampal Tempel in Hamm-Uentrop zieht jährlich 15.000 Besucher zum traditionellen Tempelfest an – eine Zahl, die 8,4% der Stadtbevölkerung entspricht. „Der Kontrast zwischen diesem authentischen südindischen Heiligtum und dem industriellen Glaselefanten schafft eine kulturelle Spannung, die ich nirgendwo sonst in Europa erlebt habe,“ erklärt Martin Brunsmann, zertifizierter Gästeführer, während wir durch die farbenfrohen Tempelanlagen gehen.
Im tropischen Schmetterlingshaus im Maxipark – mit 600 m² Fläche das größte in NRW – fliegen exotische Schmetterlinge direkt über unsere Köpfe. Emma versucht, jeden einzelnen zu fotografieren, während Sarah, meine Frau, die architektonischen Details des umgebauten Industriegebäudes dokumentiert.
Mit 75% Grünfläche: Warum Hamm das grüne Anti-Dortmund ist
Hamm unterscheidet sich radikal von seinen bekanntesten Ruhrgebiets-Nachbarn. Während Dortmund mit Fußball und Industriekultur wirbt, hat Hamm still und leise einen multikulturellen Schatz aufgebaut. Mit 3× mehr Quadratmetern Grünfläche pro Einwohner als Dortmund wirkt die Stadt wie eine Oase – ähnlich wie diese 224.030-Einwohner-Stadt, die historische Revolutionen versteckt.
„Wir kommen seit Jahren zum Tempelfest hierher. Die meisten unserer Münchner Freunde wissen nicht einmal, dass es in Deutschland einen so authentischen indischen Tempel gibt. Hier erleben wir Südindien ohne 12-stündigen Flug.“
Am beeindruckendsten ist, wie Hamm seine Industrievergangenheit in Kunst verwandelt hat. Der 35 Meter hohe Glaselefant entstand aus einer ehemaligen Kohlenwäsche und symbolisiert perfekt diese Transformation. Von oben sieht man nicht nur grüne Parks, sondern auch über 500 denkmalgeschützte Gebäude – eine überraschend hohe Zahl für eine Stadt dieser Größe.
Besonders auffällig: Hamm hat die höchste Dichte an Justizbediensteten in NRW – ein Erbe seiner Bedeutung als Justizstandort mit dem größten Oberlandesgericht Deutschlands. Diese juristische Tradition führt zu einer ungewöhnlich stabilen Wirtschaft, während gleichzeitig kulturelle Vielfalt gefördert wird.
15.000 Besucher jährlich: Europas größtes südindisches Tempelfest in Nordrhein-Westfalen
Das jährliche Tempelfest am Sri Kamadchi Ampal ist ein Spektakel, das in diesem kulturellen Kontext besonders überrascht. „Hammer“ (so nennen sich die Einwohner) und Besucher aus ganz Europa mischen sich hier, ähnlich wie in diesem Thüringer Ort mit 34.000 Einwohnern, der jährlich 40.000 internationale Besucher empfängt.
Da ich genau vier Wochen vor dem Tempelfest (geplant für 6. September 2025) hier bin, erlebe ich die Stadt in perfekter Balance: Die sommerliche Ruhe vor dem kulturellen Sturm. Die Wasser-Spielplätze im Maximilianpark sind bei 32°C voll mit lokalen Familien, aber noch ohne Touristenmassen.
Insider-Tipps: Der perfekte Tag zwischen deutscher Industriekultur und indischer Spiritualität
Beginnen Sie Ihren Tag um 9 Uhr morgens im Maximilianpark, wenn die Tore öffnen und der Elefant noch fast menschenleer ist. Der Eintritt beträgt 5 Euro für Erwachsene, 3 Euro für Kinder. Für Familien gibt es die günstigere Eltern-Kind-Karte für 14 Euro.
Fahren Sie gegen 13 Uhr zum Sri Kamadchi Ampal Tempel (kostenfreier Eintritt). Dienstags und donnerstags werden kostenlose Führungen angeboten – ein Service, der selbst in lokalen Reiseführern kaum erwähnt wird. Die ruhige Atmosphäre im August ist unbezahlbar, verglichen mit der geschäftigen Stimmung während des Tempelfestes.
Zurück in Portland denke ich oft an Hamm als das perfekte Beispiel dafür, wie eine deutsche Mittelstadt sich neu erfinden kann. Die Verbindung zwischen Industriedenkmal und südindischer Spiritualität erschafft einen kulturellen Raum, den ich sonst nur in Megastädten wie London oder New York erwarten würde – aber hier mit der Ruhe und Authentizität, die nur ein verstecktes Juwel bieten kann.