Das Flüstern des Flusses begleitet mich, während ich durch gepflasterte Gassen schlendere. Es ist 7 Uhr morgens in Marktsteft, einem 1.822-Einwohner Nest in Unterfranken, 30 Kilometer südöstlich von Würzburg. Vor mir öffnet sich plötzlich der Blick auf etwas völlig Unerwartetes: den ältesten Binnenhafen Bayerns, dessen Kräne und Lagerhäuser seit 1764 die Zeit überdauert haben. Hier, in diesem winzigen Ort am Main, liegt ein historisches Juwel verborgen, das selbst viele Bayern nicht kennen.
Der älteste Binnenhafen Bayerns – ein 1764 erbautes Handelszentrum
Die morgendliche Sonne wirft lange Schatten über das 10,51 Quadratkilometer große Marktsteft. Im Hafenbecken spiegeln sich Fachwerkhäuser, während ein mächtiges Zahnrad – Überrest des originalen Hafenkrans – vom einstigen Handelstreiben zeugt. Anders als in Eibelstadt mit seinen 14 mittelalterlichen Türmen konzentrierte sich Marktsteft auf seinen Hafen.
„Der Hafen wurde 1729 als Konkurrenzprojekt gegen das Hochstift Würzburg errichtet“, erklärt mir ein älterer Herr, der auf einer Bank sitzt und den Main beobachtet. Die Geschichte entfaltet sich vor meinen Augen: Die Markgrafen von Ansbach brauchten einen eigenen Zugang zum Main, um ihre Handelsmacht zu stärken. 300 Jahre später steht die Hafenanlage noch immer – eine Zeitkapsel fränkischer Handelsgeschichte.
Entlang der Strumpfwirker-Gasse entdecke ich prachtvolle Bürgerhäuser. Das imposante Rote Keerlhaus mit seinem Mansarddach und privaten Pavillon zeugt vom Reichtum der Kaufmannsfamilie Keerl, die vom Hafenhandel profitierte. Die 2012 sanierte Schranne – einst Lagerhaus für Textilien und Wein – thront am Marktplatz.
Wie eine 1.822-Einwohner-Stadt einst Handelswege kontrollierte
Was Marktsteft besonders macht, ist der schier unglaubliche Kontrast zwischen seiner bescheidenen Größe und historischen Bedeutung. Auf einer Höhe von 189 Metern über dem Meeresspiegel gelegen, kontrollierte dieses Dorf einst Handelsrouten, die bis nach Konstantinopel reichten. Während Marktsteft den Handel kontrollierte, wählte eine andere fränkische Stadt sogar deutsche Könige.
„Man kann es kaum glauben – hier steht man an einem Ort, der kleiner ist als manches Großstadtviertel, und doch hat er mehr authentische Geschichte bewahrt als viele berühmte Touristenstädte. Kein Selfie-Stick weit und breit, nur echtes fränkisches Leben.“
Im Vergleich zum 42 Kilometer entfernten Bamberg mit seinem UNESCO-Weltkulturerbe wirkt Marktsteft wie eine Miniaturversion – jedoch mit dem entscheidenden Unterschied, dass hier kaum Touristen die engen Gassen bevölkern. Die fast vollständig erhaltene Stadtmauer mit ihren Türmen umschließt eine Altstadt, die sich seit dem 18. Jahrhundert kaum verändert hat.
Weinliebhaber können ihre Erkundung in Frankens zweitgrößtem Rebgebiet fortsetzen, nur eine kurze Fahrt entfernt. Die umliegenden Weinberge, die sanft zum Main abfallen, bieten einen malerischen Rahmen für diese historische Perle.
Das Stefter Hafenfest 2025 – lebendige Geschichte erleben
Mein Timing könnte nicht besser sein – in nur einer Woche, am dritten Juli-Wochenende 2025, erwacht der historische Hafen zum Leben. Das Stefter Hafenfest, ein dreitägiges Spektakel, verwandelt die sonst ruhigen Straßen in einen lebendigen Marktplatz mit Handwerksständen, fränkischer Küche und lokalen Weinproben.
Während das Hafenfest die Straßen füllt, bietet es ein intimeres Erlebnis als Deutschlands größter Marktplatz in anderen historischen Städten. Für Besucher empfehle ich, vor 10 Uhr anzukommen und das Auto am kostenlosen Parkplatz nahe der Alten Fähre abzustellen.
Der Panoramaweg „Zwischen Beethoven und Spargel“ bietet eine 6 Kilometer lange Route durch Weinberge mit Blick auf den Main – ideal für einen Morgenspaziergang vor dem Festtrubel. Nur 30 Minuten entfernt finden Sie ein Weindorf mit geologischem Wunder, perfekt für einen Tagesausflug.
Zwischen Weinbergen und Barock – perfekte Sommerausflüge nach Marktsteft
Die Badebucht Alte Fähre, nur 3 Gehminuten von der Altstadt entfernt, bietet Erfrischung an heißen Sommertagen. Nach dem Bad empfehle ich einen Besuch im Museum für Stadt- und Familiengeschichte, wo die faszinierende Geschichte der Kaufmannsfamilie Keerl dokumentiert ist.
Für das authentischste Erlebnis besuchen Sie die Weinstube am Hafen, die täglich ab 17 Uhr öffnet. Bestellen Sie einen Silvaner aus lokalem Anbau und genießen Sie den Blick auf den historischen Hafen, während die Abendsonne die Fachwerkhäuser in goldenes Licht taucht.
Während meine Frau Sarah Fotos vom Sonnenuntergang über dem Hafen macht, erklärt mir unsere Tochter Emma, dass sie wie die Kaufmannstöchter von früher auch mal ein großes Haus am Wasser haben möchte. In Marktsteft scheint die Geschichte nicht nur in Steinen und Holzbalken zu leben – sie flüstert in der Brise, die durch die Gassen weht, und lädt jeden ein, für einen Moment Teil eines fränkischen Märchens zu werden, das die wenigsten kennen.