Weniger touristisch als Wernigerode versteckt diese Harz-Stadt von 19.161 Einwohnern Deutschlands größtes Welfenschloss

Der Regentropfen an meiner Schläfe rinnt langsam hinunter, während ich vor dem imposanten Barockschloss stehe. Es ist 7:15 Uhr morgens in Blankenburg, einer Stadt mit nur 19.161 Einwohnern im Harz, die ein königliches Geheimnis bewahrt. Vor mir erhebt sich auf 305 Metern Höhe das größte erhaltene Welfenschloss Deutschlands – monumentaler als man es in dieser Kleinstadt erwarten würde. Meine Frau Sarah fotografiert die morgendliche Nebelstimmung, während sich ein lokaler Geschichtskenner zu mir gesellt.

„Wissen Sie, dass sich hier ein französischer König versteckte?“, flüstert er, als teile er ein Staatsgeheimnis. Ludwig XVIII. verbrachte hier 731 Tage im Exil, von 1796 bis 1798, während der Französischen Revolution. Das Schloss beherbergte königliche Flüchtlinge, lange bevor Instagram-Touristen die versteckten Perlen Deutschlands entdeckten.

731 Tage königliches Exil: Wo Frankreichs Thronfolger untertauchte

Die monumentale Schlossanlage thront majestätisch über der Stadt, deren 149,22 Quadratkilometer Fläche nur dünn besiedelt sind. Der zukünftige König Frankreichs lebte hier inkognito während der turbulenten Revolutionszeit. Nicht nur in Celle gibt es königliche Verbindungen – auch Blankenburg hat seine eigene royale Geschichte.

Während ich durch die barocken Gärten schlendere, wird klar, warum Ludwig diesen Ort wählte. Die Sandsteinfelsen der nahegelegenen Burg Regenstein und die dichten Wälder boten natürlichen Schutz. Das Schloss selbst, zwischen 1705 und 1731 unter Herzog Ludwig Rudolf erbaut, vereint herrschaftliche Pracht mit strategischer Abgeschiedenheit.

In den Räumen, die heute teilweise restauriert sind, lebte ein Mann, der später Frankreich regieren würde. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Eine Kleinstadt mit 19.000 Einwohnern beherbergte einen Thronanwärter einer Weltmacht. Die Bedeutung dieses historischen Ereignisses bleibt bis heute unterschätzt.

Vom Welfenschloss zum königlichen Zufluchtsort: Barocke Pracht im Harz

Im Gegensatz zur wehrhaften Burg Querfurt wurde das Schloss Blankenburg als repräsentative Residenz konzipiert. Der barocke Prachtbau überragt alles in der Umgebung – ein architektonisches Statement der Welfen-Dynastie, das heute von engagierten Bürgern gerettet wird.

„Manchmal frage ich mich, ob die Besucher in Wernigerode wissen, was sie hier verpassen. Dort haben sie Menschenmassen, hier haben wir königliche Geschichte zum Anfassen – und Ruhe, um sie zu genießen.“

Diese Worte eines Einheimischen treffen den Kern. Während Wernigerode und Quedlinburg von Touristen überlaufen werden, bleibt Blankenburg ein Geheimtipp. Dabei bietet die Stadt neben dem Schloss auch das Kloster Michaelstein, ein kulturelles Zentrum mit über 870 Jahren Geschichte.

Während in Salzwedel mittelalterliche Münzprägung stattfand, war Blankenburg für adlige Repräsentation bekannt. Der Schlosspark mit seinen geometrischen Beeten und Wasserspielen zeigt den französischen Einfluss – eine Ironie, bedenkt man den späteren königlichen Gast aus Frankreich.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der beste Zugang erfolgt über die B6n, die seit ihrem Bau den Verkehrslärm von der Stadt fernhält. Parken Sie kostenlos am Fuße des Schlossbergs und nehmen Sie den 10-minütigen Fußweg hinauf – die Morgenstunden zwischen 8 und 10 Uhr bieten die eindrucksvollsten Lichtverhältnisse für Fotos.

Besuchen Sie unbedingt die Teufelsmauer, eine bizarre Felsformation nur 3 Kilometer entfernt. Für Kulturinteressierte empfehle ich die Führungen im Kloster Michaelstein, wo mittelalterliche Musikinstrumente zu sehen sind. Im Sommer 2025 sind besondere Konzerte im Schlosshof geplant – ein magisches Erlebnis unter Sternen.

Planen Sie mindestens einen vollen Tag ein, um sowohl die königliche Geschichte als auch die Naturschönheiten zu erkunden. Die lokalen Cafés in der Altstadt servieren hervorragenden Harzer Baumkuchen, eine süße Spezialität, die man nicht verpassen sollte.

Als ich mit Emma, meiner siebenjährigen Tochter, auf den Steinstufen sitze, die einst von königlichen Füßen betreten wurden, wird mir bewusst, wie selten solche Orte geworden sind. Blankenburg ist wie ein gut gehütetes Familienrezept – traditionsreich und authentisch, weitergegeben von Generation zu Generation, ohne den Geschmack durch Massentourismus zu verlieren. In einer Welt der überlaufenen Attraktionen bietet diese Harzer Kleinstadt etwas Kostbares: eine königliche Geschichte, die man in Ruhe entdecken kann.