Dieses Nordrhein-Westfalen Dorf von 8.433 Einwohnern beherbergt Deutschlands schmalsten Hausfassade und versteckte Flussquelle

Ich stehe vor einem schmalen Fachwerkhaus, das kaum breiter als meine ausgestreckten Arme ist. Genau 1,90 Meter misst die Fassade dieses architektonischen Wunders in Blankenheim, einem versteckten Dorf mit gerade einmal 8.433 Einwohnern. Was diese kleine Eifel-Gemeinde auf 455 Höhenmetern jedoch besonders macht: In einem unscheinbaren Kellergewölbe entspringt hier einer der bedeutendsten Weinflüsse Deutschlands. Ich bin gekommen, um herauszufinden, warum dieses architektonische Juwel und seine verborgene Quelle selbst vielen Deutschen unbekannt geblieben sind.

Das schmalste Haus trifft auf Deutschlands ungewöhnlichsten Flussursprung

Blankenheims mittelalterlicher Ortskern überrascht mit einer schier unglaublichen Dichte an Geschichte. Über 70% der Gebäude stehen unter Denkmalschutz – eine Konzentration, die selbst berühmte Fachwerkstädte in den Schatten stellt. Ein besonderes Highlight: Am Zuckerberg steht das schmalste Haus Nordrhein-Westfalens mit gerade einmal 1,90 Metern Breite.

Doch das eigentliche Geheimnis verbirgt sich einige Gassen weiter. Ich folge den Kopfsteinpflastern bis zu einem unscheinbaren Fachwerkhaus aus dem Jahr 1726. Der Besitzer führt mich eine schmale Treppe hinab, wo mich ein ungewöhnlicher Anblick erwartet: Die Quelle der Ahr – jenes Flusses, der später das berühmte Ahrtal mit seinen Weinbergen durchfließt – entspringt hier im Keller.

„Kommen Se ‚rin und schauen Se sich dat Wasser an“, begrüßt mich der Herr des Hauses in typischem Eifel-Dialekt. Das kristallklare Wasser sprudelt aus dem Felsen, umfasst von einem sorgfältig gemauerten Gewölbe. Ein 150 Jahre alter Schöpflöffel liegt bereit, mit dem ich einen Schluck nehmen darf. Die Temperatur: konstante 8 Grad Celsius, Sommer wie Winter.

Während ich durch den Ort schlendere, entdecke ich ein weiteres verborgenes Meisterwerk: den Tiergartentunnel, eine 150 Meter lange unterirdische Wasserleitung aus dem 12. Jahrhundert. Diese mittelalterliche Ingenieurskunst versorgte einst die imposante Burg Blankenheim mit frischem Wasser – heute dient sie als Jugendherberge und thront über dem Ort.

Wie ein 8.433-Einwohner-Dorf drei architektonische Rekorde vereint

Im Vergleich zur bekannten Moselquelle bei Traben-Trarbach mit ihren touristischen Busladungen wirkt Blankenheims Ahrquelle geradezu versteckt. Während an der Mosel Souvenirbuden und Touristenrestaurants dominieren, treffe ich hier auf authentisches Dorfleben. Im Gildehaus der Tuchmacher aus dem 17. Jahrhundert wird noch heute die Tradition des Webens gepflegt.

„Wer hier durchreist, erlebt Eifel-Geschichte lebendig: Vom Quellkeller der Ahr bis zur Burgjugendherberge – hier vereinen sich Handwerk, Natur und Zeitreisen auf eine Weise, die man sonst nirgends findet.“

Anders als Bad Honnef mit seinen prächtigen Rheinvillen (nur 70 km entfernt) oder St. Goar am sagenumwobenen Loreley-Felsen, wohin die Ahr letztendlich fließt, hat Blankenheim seine Ursprünglichkeit bewahrt. Während ich auf dem Marktplatz einen Kaffee genieße, beobachte ich, wie die Dorfbewohner miteinander plaudern – keine Spur von der Hektik bekannter Touristenziele.

Die hohe Dichte an denkmalgeschützten Fachwerkhäusern findet ihre Entsprechung im Schwarzwaldstädtchen Gengenbach, wo ebenfalls über 70% der Gebäude unter Denkmalschutz stehen. Doch Blankenheim ergänzt sein Architekturerbe durch ein einzigartiges Wasserphänomen – während in Paderborn Deutschlands kürzester Fluss zu bestaunen ist, hat Blankenheim mit der Ahrquelle im Keller ein hydrologisches Unikat geschaffen.

Was Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Der beste Zugang zur Ahrquelle ist über den Parkplatz am Georgstor, wo Sie kostenlos parken können. Von dort sind es nur 3 Gehminuten zur Quelle. Besuchen Sie das Quellhaus am frühen Vormittag (vor 10 Uhr) oder nach 16 Uhr, wenn die wenigen Tagestouristen bereits abgereist sind.

Nach dem Quellbesuch lohnt ein Abstecher zum Eifel-Blick Hühnerberg, der ein atemberaubendes Panorama über drei Täler bietet – ohne jegliche Beschilderung in Reiseführern. Lokale verraten: Im Sommer 2025 findet das Ahr-Quellfest statt, bei dem die historische Tuchmachergilde ihre Arbeiten vorführt und die Burg mit speziellen Lichtinstallationen illuminiert wird.

Meine Frau Sarah würde die versteckten Werkzeichen an den Fachwerkbalken lieben – kleine eingeschnitzte Symbole der Tuchmacher, die wie geheime Codes wirken. Unsere Tochter Emma wäre begeistert vom „Narrenhaus“ mit seinen schiefen Wänden und dem Geheimnis des Tiergartentunnels, der wie ein unterirdisches Labyrinth aus einem Fantasy-Roman wirkt.

Blankenheim ist wie ein gut gehütetes Familienalbum der Eifel – jede Seite offenbart eine neue Geschichte, jedes Gebäude ein neues Geheimnis. In einer Zeit, in der authentische Reiseerlebnisse selten werden, bleibt dieser Ort ein echtes verstecktes Juwel für diejenigen, die bereit sind, abseits der ausgetretenen Pfade zu wandeln.