Die Sonne bricht gerade über den Schwarzwald herein, als ich durch das Kopfsteinpflaster von Schiltach schlendere. Dieses winzige Städtchen mit gerade einmal 3.517 Einwohnern hat auf den ersten Blick ein verblüffendes Geheimnis: Auf einer kompakten Fläche von nur 35,12 Quadratkilometern beherbergt es vier vollwertige Museen. Das ergibt rechnerisch ein Museum pro 879 Einwohner – eine kulturelle Dichte, die selbst manch europäische Großstadt beschämen würde.
Ein 3.517-Einwohner Schwarzwaldstädtchen mit vier Museen
Vom mittelalterlichen Marktplatz aus blicke ich auf makellos erhaltene Fachwerkhäuser, deren Balken ein geometrisches Spiel aus Licht und Schatten erzeugen. Die Museumsdichte ist bemerkenswert: das Apothekenmuseum (eröffnet 1989 in einer ehemaligen Apotheke von 1837), das Schüttesägemuseum zur Holzverarbeitung, das Museum am Markt und die Hansgrohe Aquademie.
Während das nahe gelegene Gengenbach durch seine 70% denkmalgeschützte Gebäude bekannt ist, punktet Schiltach mit seiner einzigartigen Museumsdichte. Die Fachwerkkunst hier steht der in Northeim mit seinen 360 Fachwerkhäusern in nichts nach, zeigt aber die für den Schwarzwald typischen regionalen Besonderheiten.
Was mich besonders beeindruckt: Im historischen Gerberviertel, dem ältesten Teil der Stadt, sehe ich kaum einen anderen Besucher. Die schmalen Gassen führen entlang der Kinzig, wo einst Flößer ihre Holzstämme transportierten und Gerber ihr Handwerk ausübten. Jetzt, im Sommer 2025, spiegelt sich das Fachwerk im ruhigen Wasser.
Wie Schiltach Annecy ohne Massentourismus übertrifft
Anders als im nahen Triberg, das jährlich 250.000 Besucher zu seinen berühmten Wasserfällen lockt, genießen Sie in Schiltach eine entspannte Atmosphäre. Das Städtchen erinnert mich an Annecy in Frankreich, oft als „Venedig der Alpen“ bezeichnet – nur ohne die endlosen Touristenmassen.
„Ich komme seit Jahren jeden Frühling hierher. Während andere Schwarzwaldorte von Besuchern überrannt werden, kann man hier noch die authentische Kultur erleben. Die Museen haben mehr Raum als Einwohner, und trotzdem findet man Ruhe.“
Die historische Stadtbrücke über die Kinzig bildet das Herzstück des Ortes. Von hier aus sieht man die Höhenunterschiede von 288 bis 865 Metern über dem Meeresspiegel, die das Stadtgebiet prägen. Wer das Besondere an kleinen historischen Städten wie Wasserburg am Inn schätzt, wird in Schiltach eine ähnlich reiche architektonische Tradition entdecken.
Bei meinem Rundgang entdecke ich das Apothekenmuseum mit seinen originalgetreu erhaltenen Laboreinrichtungen aus dem 19. Jahrhundert. Im Schüttesägemuseum erklärt mir ein ehrenamtlicher Führer die jahrhundertealte Tradition der Flößerei – ein Handwerk, das Schiltachs Wohlstand begründete.
Kostenlose Stadtführungen und versteckte Fachwerk-Schätze
Ein besonderer Tipp: Nutzen Sie die kostenlosen Freitagsführungen, die von Mai bis September um 15 Uhr stattfinden. Diese beginnen am Marktplatz und führen Sie zu versteckten Winkeln, die selbst auf Touristenkarten fehlen – wie die Äußere Mühle von 1557, eine der ältesten Mühlen der Region.
Die beste Zeit für Fotos ist der frühe Morgen, wenn das Licht weich auf die Fachwerkfassaden fällt, oder der späte Nachmittag, wenn die untergehende Sonne die Balken in warmes Gold taucht. Parken Sie kostenlos am Parkplatz Schüttesäge und erreichen Sie die Altstadt in drei Gehminuten.
Während Bergfans im Winter oft nach Garmisch-Partenkirchen fahren, bietet Schiltach eine perfekte sommerliche Alternative für Kulturliebhaber. Die Wanderwege im umliegenden Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord bieten zudem ausgezeichnete Aussichtspunkte auf das historische Ensemble.
Stadtfest 2025: Perfekter Zeitpunkt für authentische Schwarzwald-Kultur
Ein besonderer Glücksfall für Besucher in diesem Jahr: Das nur alle fünf Jahre stattfindende Stadtfest steht 2025 bevor. Lokale Handwerker, Musiker und Gastronomen verwandeln dann die gesamte Altstadt in eine lebendige Bühne für Schwarzwälder Traditionen.
Als ich mit meiner Kamera durch die engen Gassen des Gerberviertels streife, denke ich an meine Frau Sarah, die diese versteckten architektonischen Details lieben würde. Ich stelle mir vor, wie meine Tochter Emma begeistert die Werkzeuge im Schüttesägemuseum entdecken würde.
Schiltach ist wie ein sorgfältig komponiertes Gedicht im Schwarzwälder Dialekt – kompakt, ausdrucksstark und voller verborgener Bedeutungen. In einer Welt überfüllter Touristenmagnete bleibt dieses 3.517-Seelen-Städtchen ein Ort, wo Geschichte nicht inszeniert, sondern gelebt wird. Kommen Sie, solange es noch ein Geheimtipp ist.