Die Morgensonne gleitet über sanfte Hügel, als ich in Assinghausen einfahre – gerade 680 Einwohner stark, aber mit einem botanischen Geheimnis, das mich sofort in seinen Bann zieht. Schwarzweiße Fachwerkhäuser säumen die Straßen dieses winzigen Sauerland-Dorfs, doch was mich wirklich verblüfft: In diesen Gärten wachsen mehr Rosensorten als es Einwohner gibt. Inmitten des Hochsauerlandkreises, nur 15 Minuten östlich von Olsberg, habe ich ein floristisches Phänomen entdeckt, das selbst meine weltreiseerfahrene Sarah zum Staunen bringen würde.
Der Duft von Rosen erfüllt die Luft, während ein älterer Herr seinen Garten pflegt. Mit dem Sonnenaufgang im Rücken zeigt sich das wahre Wunder: ein komplettes Dorf, das sich der Königin der Blumen verschrieben hat – und das ohne jeglichen kommerziellen Tourismusbetrieb.
Ein Dorf mit mehr Rosensorten als Einwohnern
Die Statistik ist beeindruckend: über 200 verschiedene Rosensorten in einem Dorf mit nur 680 Bewohnern. „Fast eine Rosensorte pro drei Einwohner,“ rechne ich, während ich durch die schmalen Gassen schlendere. Seit 2007 offiziell als Rosendorf zertifiziert, gehört Assinghausen zu einem elitären Kreis – es ist eines von nur sechs anerkannten Rosendörfern in ganz Deutschland.
Die Fachwerkhäuser mit ihren schwarzweißen Balken und Schieferdächern bilden den perfekten Rahmen für die Blütenpracht. In fast jedem Vorgarten, Hinterhof und entlang jeder Gasse finde ich sorgfältig gepflegte Rosen in allen erdenklichen Farben.
Anders als in diesem fränkischen Dorf mit seinen 90 Winzerbetrieben, wo die Produktion im Vordergrund steht, geht es hier um botanische Leidenschaft. Der Rosenpfad führt mich von historischen Wildrosen bis zu modernen Züchtungen – alle gepflegt von den Dorfbewohnern selbst.
Von der Dorfgemeinschaft erschaffen: Ein lebendes Rosenmuseum
Was diesen Ort so besonders macht: Die gesamte Rosenpracht wird ehrenamtlich von den Dorfbewohnern gepflegt. Keine staatlichen Fördermittel, keine kommerziellen Gärtner – nur eine Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Leidenschaft.
„Jeder kennt seine Rosen beim Namen, wie alte Freunde,“ erklärt mir ein Anwohner beim Vorbeigehen. Familien pflegen hier ihre Rosentraditionen seit Generationen. Sorgfältig beschriftete Schilder verraten die Namen jeder Sorte – ein botanisches Freiluftmuseum.
Wir leben nicht von den Rosen, wir leben mit ihnen. Unser Dorf atmet mit dem Rhythmus der Blütezeit. Was in großen Rosengärten für Besucher inszeniert wird, ist hier unser Alltag.
Im Gegensatz zu diesem rheinland-pfälzischen Weindorf, das seinen Wiederaufbau als Touristenattraktion nutzt, bleibt Assinghausen authentisch bescheiden. Die Dorfgemeinschaft organisiert in ungeraden Jahren ein Rosenfest – 2025 steht es wieder an.
Besonders beeindruckend: Seit der Zertifizierung haben die Bewohner tausende unbezahlte Arbeitsstunden in ihre Rosen investiert. Jährlich werden neue Sorten gepflanzt, experimentiert und ausgetauscht – eine lebendige, duftende Gemeinschaftskultur.
Unterschied zu kommerziellen Rosengärten
Anders als in berühmten Rosengärten wie Sissinghurst Castle in England oder im größeren Eltville am Rhein („Stadt der Rosen“) gibt es hier keine Eintrittsgelder, keine Souvenir-Shops und keine inszenierten Fotospots.
Stattdessen entdecke ich versteckte Holzschnitzereien mit Rosenmotiven an den Fachwerkfassaden und lerne, dass hier sogar kulinarische Spezialitäten wie Rosenmarmelade und Rosenlikör in Privathaushalten hergestellt werden. Eine Form des Tourismus, die sich fundamental von diesem Schwarzwalddorf mit 250.000 jährlichen Besuchern unterscheidet.
Im Dorfzentrum stoße ich auf eine Bronzestatue – sie ehrt Friedrich Wilhelm Grimme, den „Dichter des Sauerlandes“, der hier geboren wurde. Seine Gedichte über die heimische Natur passen perfekt zur Rosenkultur des Dorfes.
Was Reiseführer verschweigen: Insider-Tipps für 2025
Der optimale Besuchszeitpunkt für Assinghausen ist definitiv der Frühsommer 2025. Die Hauptblütezeit beginnt Anfang Juni und erreicht ihren Höhepunkt Mitte Juli – perfekt für das kommende Rosenfest.
Mein Tipp: Kommen Sie an einem Wochentag bei Sonnenaufgang. Die Morgensonne lässt die Tautropfen auf den Blüten glitzern, und die Düfte sind zu dieser Zeit am intensivsten. Parken können Sie kostenlos am Dorfrand, von dort sind alle Rosengärten zu Fuß erreichbar.
Für ein authentisches Erlebnis empfehle ich, den 5,8 km langen Enschede-Rundweg zu gehen, der durch den „Papenbusch“ führt und traumhafte Panoramablicke auf das Rosendorf bietet.
Während ich Assinghausen verlasse, nehme ich den Duft von hunderten Rosen mit. In einer Welt voll überlaufener Touristenattraktionen bleibt dieses Dorf ein Ort, wo die Natur und menschliches Engagement eine perfekte Symbiose eingehen – ein botanisches Juwel, das zeigt, dass wahre Schönheit oft in der Bescheidenheit liegt. Sarah wird die Fotos lieben, und Emma würde die Rosenmarmelade vergöttern. Das Sauerland hat mich wieder einmal überrascht – mit einer Rosenpracht, die größer ist als das Dorf selbst.