Ich stehe vor dem dreifachen UNESCO-Welterbe Goslars, als die Sonne die mittelalterlichen Fachwerkhäuser in goldenes Licht taucht. Es ist kaum zu glauben, dass eine Stadt mit nur 47.419 Einwohnern gleich drei UNESCO-Welterbestätten auf gerade einmal 164 Quadratkilometern beherbergt. Während Touristen in Scharen nach Rothenburg ob der Tauber pilgern, verbirgt sich hier im nördlichen Harzvorland ein architektonisches und historisches Juwel, das selbst eingefleischte Deutschland-Kenner überrascht.
Von der imposanten Kaiserpfalz aus blicke ich über ein Meer aus mehr als 1.500 Fachwerkhäusern, deren rote Dächer und reich verzierte Fassaden vom Reichtum zeugen, der hier über Jahrhunderte aus dem Boden geholt wurde. Die sommerliche Morgenbrise trägt den leichten Duft von frischem Brot aus einer nahen Bäckerei zu mir herüber.
Einzigartige Dichte: 3 UNESCO-Welterbestätten auf nur 164 Quadratkilometern
Goslar ist ein Wunder der Konzentration. Die mittelalterliche Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen bildet das erste UNESCO-Welterbe. Das zweite ist das Erzbergwerk Rammelsberg, das über 1.000 Jahre ununterbrochen in Betrieb war – ein Rekord in der Bergbaugeschichte. Während Angermünde eine ähnliche UNESCO-Dichte im Naturbereich bietet, ist Goslars Kombination aus Kultur und Industrie einzigartig.
Das dritte Welterbe, die Oberharzer Wasserwirtschaft, ist ein geniales System aus Gräben und Teichen, das über Jahrhunderte die Energie für den Bergbau lieferte. Mit über 70 Stauteichen und 176 Kilometern Wassergräben ist es das größte vorindustrielle Energieversorgungssystem der Welt.
Beeindruckend ist auch der Kontrast: In Goslars historischer Altstadt kommt auf etwa 32 Einwohner ein historisches Fachwerkhaus – eine Dichte, die selbst das viel bekanntere Hornburg mit seinen 400 Fachwerkhäusern übertrifft.
Im Schatten von Rothenburg: Warum Goslar die authentischere Mittelalter-Erfahrung bietet
Anders als im überlaufenen Rothenburg ob der Tauber begegne ich hier hauptsächlich Einheimischen. Ein Straßenmusiker spielt an der Marktkirche traditionelle Harzer Lieder, während Handwerker an einer Fachwerkfassade arbeiten. Die Stadt atmet Geschichte, ohne sich wie ein Museum anzufühlen.
„Wir genießen unseren Kaffee immer noch auf dem Marktplatz, auch im Hochsommer. In den bekannteren Städten müsste man dafür anstehen oder Wochen im Voraus reservieren.“
Die Kaiserpfalz, ein monumentaler Sandsteinbau aus dem 11. Jahrhundert, thront majestätisch über der Stadt. Hier residierten einst die deutschen Kaiser, wenn sie im Harz auf Jagd gingen oder die reichen Silberminen besichtigten. Ähnlich wie Rochlitz ein authentisches Mittelalter-Erlebnis bietet, bewahrt Goslar seine historische Substanz mit bemerkenswerter Integrität.
Besonders beeindruckend: Das älteste Fachwerkhaus, das St. Annenhaus von 1488, steht noch immer in voller Pracht in der Glockengießerstraße – ein authentisches Zeugnis mittelalterlicher Baukunst.
Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen
Die beste Zeit für einen Besuch ist definitiv der frühe Morgen oder späte Nachmittag. Dann haben Sie die engen Gassen fast für sich allein und das Licht ist perfekt für Fotos der Fachwerkhäuser. Parken Sie am besten am Osterfeld-Parkplatz (kostenlos) und erreichen die Altstadt in 5 Gehminuten.
Ein wahres Geheimnis ist der Harzer Wasserweg, eine Wanderroute entlang der historischen Gräben der Oberharzer Wasserwirtschaft. Im Sommer 2025 können Sie dort sogar in historischen Wasserbecken baden – ein erfrischendes Erlebnis zwischen UNESCO-Welterbestätten!
Kombinieren Sie Ihren Besuch mit dem Altstadtfest im Juli 2025, wenn die Kaiserpfalzwiese zum Festplatz wird. Mit einem Kombiticket für 15€ erhalten Sie Zugang zu allen drei Welterbestätten – ein unschlagbares Angebot für einen vollgepackten Kulturtag.
Als ich mit meiner Kamera die letzten Aufnahmen der untergehenden Sonne über dem Rammelsberg mache, wird mir klar: Goslar ist wie eine dreidimensionale Zeitkapsel, die gleichzeitig die höfische Pracht des Mittelalters, die industrielle Innovation und die Ingenieurskunst vergangener Jahrhunderte bewahrt. Meine Frau Sarah, die sonst eher von Naturlandschaften begeistert ist, hat sich in die Kombination aus historischer Architektur und technischem Erbe verliebt. Wie die Bergleute hier sagen würden: „Glückauf!“ – ein passendes Motto für die Entdeckung dieses verborgenen Schatzes im Harz.