Weniger touristisch als Triberg empfangen 6.757 Alpirsbacher jährlich 200.000 Hektoliter Klosterbier

Ich war gerade auf einer schattigen Terrasse der Alpirsbacher Klosterbrauerei, als mir ein Mönch in modernem Gewand ein Glas bernsteinfarbenes Bier überreichte. „Das ist kein gewöhnliches Klosterbier“, sagte er mit einem Lächeln. Und er hatte recht. Im verschlafenen Alpirsbach, gerade einmal 6.757 Einwohner stark, produziert die historische Brauerei unglaubliche 200.000 Hektoliter Bier jährlich – das entspricht erstaunlichen 29,6 Litern pro Einwohner. Dieses verborgene Schwarzwaldjuwel, 64 Kilometer östlich von Straßburg, beherbergt einen der faszinierendsten kulturellen Kontraste Deutschlands: ein fast tausendjähriges Benediktinerkloster, das neben einer der traditionsreichsten Brauereien des Landes existiert.

Zwischen Spiritualität und Braukunst: Das 900-jährige Erbe

Das 1095 gegründete Benediktinerkloster thront auf einem kleinen Hügel im Zentrum von Alpirsbach. Mit seinen charakteristischen roten Sandsteinmauern bildet es das spirituelle Herzstück des Ortes. Die fast mystische Stille des Kreuzgangs steht in faszinierendem Kontrast zur geschäftigen Brauerei nebenan, die seit 1877 in Betrieb ist.

Was diese kleine Stadt besonders macht, ist die einzigartige „bewegliche Orgel“ der Klosterkirche – eines der seltensten Musikinstrumente Europas. Während meines Besuchs konnte ich beobachten, wie das komplexe Instrument tatsächlich durch den Kirchenraum bewegt wurde, um verschiedene akustische Effekte zu erzeugen. Ein ähnliches Phänomen findet man in Halberstadt mit seinem einzigartigen musikalischen Erbe, doch hier in Alpirsbach verbindet sich die Musik mit dem Duft von Hopfen und Malz.

Die Brauerei selbst ist ein Familienunternehmen in vierter Generation. „Unsere Pipeline verbindet das Sudhaus mit dem Gärkeller – eine technische Meisterleistung aus dem 19. Jahrhundert, die wir bis heute nutzen“, erklärt Braumeisterin Anja Faißt, während sie mir die historischen Kupferkessel zeigt. Die Verbindung von alemannischer Brautradition und benediktinischer Kultur macht Alpirsbach zu einer seltenen Entdeckung, vergleichbar mit dem nahegelegenen Weinort Durbach, der eine ähnliche kulturelle Tiefe besitzt.

Verstecktes Juwel statt Touristenmassen

Während die bekannteren Schwarzwaldorte wie Triberg von Reisebussen überrannt werden, bleibt Alpirsbach erstaunlich authentisch. Mit seiner Bevölkerungszahl von 6.757 ähnelt es größenmäßig Berchtesgaden in Bayern, bietet jedoch ein völlig anderes kulturelles Erlebnis.

Die Stadt erstreckt sich über 64,55 Quadratkilometer Schwarzwaldlandschaft, mit Höhenunterschieden von 400 bis 853 Metern. Diese geringe Bevölkerungsdichte von nur 104 Einwohnern pro Quadratkilometer ermöglicht ausgedehnte Naturräume und ungestörte Wanderwege entlang der rauschenden Kinzig.

„Man kommt hierher für das Bier, bleibt aber wegen der Stille. Zwischen Klosterkonzert und Brauerei-Besichtigung kann man stundenlang durch den Wald wandern, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Diese Kombination findet man sonst nirgendwo im Schwarzwald.“

Im Sommer 2025 wird Alpirsbach besonders lebendig, wenn die jährlichen Klosterkonzerte mit der beweglichen Orgel stattfinden. Gleichzeitig lockt der SURM-Radmarathon mit seiner anspruchsvollen 168-Kilometer-Strecke und 4.000 Höhenmetern internationale Radsportler an. Diese Kombination aus Kultur, Sport und Natur macht den Ort zu einem idealen Reiseziel für alle, die dem üblichen Touristenstrom entfliehen möchten.

Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen

Die beste Zeit für einen Besuch ist früh morgens, wenn Nebelschwaden zwischen Kloster und Brauerei wabern. Parken Sie kostenlos am Klosterparkplatz (GPS: 48.34611°N, 8.40389°E) und beginnen Sie mit einer Führung durch das Kloster um 9 Uhr, bevor die Tagesbesucher eintreffen.

Unbedingt erleben sollten Sie eine der seltenen Orgelvorführungen, die jeden Donnerstag um 14 Uhr stattfinden. Danach empfehle ich eine Brauereibesichtigung mit Verkostung (täglich außer montags, 16 Euro pro Person). Wanderfreunde sollten den kurzen Abstecher zum Sankenbachsee nicht verpassen, wo Sie den Wasserfall durch ein historisches Holzschützsystem selbst auslösen können – ein verstecktes Erlebnis, das auch das nahe Naturparadies Todtnau nicht bieten kann.

Während ich mit meiner Frau Sarah und unserer Tochter Emma in der Abendsonne auf der Klosterterrasse saß, begriff ich die wahre Magie von Alpirsbach. Wie ein gut gereiftes Klosterbier vereint dieser Ort verschiedene Elemente zu etwas Größerem als der Summe seiner Teile. In der alemannischen Tradition würde man sagen: „S’goht nit nur ums Bier, s’goht ums Läbe“ – Es geht nicht nur ums Bier, es geht ums Leben. Dieses verborgene Schwarzwaldjuwel wartet darauf, von denen entdeckt zu werden, die bereit sind, abseits ausgetretener Pfade zu wandeln.