Die Wellen brechen sanft gegen die Seebrücke von Göhren, als ich zum ersten Mal den geheimnisvollen Umriss im Wasser entdecke. Nur 1,5 Meter ragt er aus der Ostsee, doch was ich sehe, ist nur die Spitze eines gigantischen Unterwassermonuments. Der Buskam-Findling vor der Küste des 1.256-Einwohner Ostseebads Göhren birgt ein doppeltes Geheimnis: Mit seinem 600 Kubikmeter Volumen und 1,6 Tonnen Gewicht ist er nicht nur der größte Findling der deutschen Ostseeküste – er trägt auch die rätselhaften Spuren einer bronzezeitlichen Kultstätte auf seinem Rücken.
Während Touristen nur 20 Kilometer weiter in Binz die überfüllten Strände bevölkern, stehe ich hier praktisch allein am östlichsten Zipfel Rügens. Der lokale Bootsführer Peter (Name auf seinen Wunsch geändert) erzählt mir von den gefährlichen Strömungen, die den Stein umgeben. „Wir nennen ihn den Gottesstein. Bogis kamien – so hieß er in altslawischer Sprache. Selbst heute wagen sich nur erfahrene Taucher zu ihm.“
Der 600-Kubikmeter-Riese: Deutschlands größter Meeresfindling verbirgt 90% seiner Masse
Was diesen Stein so außergewöhnlich macht, ist nicht nur seine schiere Größe. Der Buskam gehört zu den beeindruckendsten Naturwundern in Norddeutschland, die oft im Schatten bekannterer Reiseziele stehen. Mit einem Umfang von 40 Metern und einer Höhe von 8 Metern liegt der Großteil dieses Kolosses unsichtbar unter der Wasseroberfläche.
Die jahrtausendealte Geschichte des Buskam reiht sich ein in andere ungewöhnliche deutsche Kulturerlebnisse, die Zeit in besonderer Weise erfahrbar machen. Wissenschaftler vermuten, dass der Stein während der letzten Eiszeit über eine Strecke von 150 Kilometern aus dem heutigen Dänemark oder von der Insel Bornholm hierher transportiert wurde.
„Wenn du bei Ebbe am Strand stehst und zum Buskam blickst, siehst du nur die Spitze des Eisbergs. Was die meisten nicht wissen: Das ist ein Kultplatz. Die Aushöhlungen auf seiner Oberfläche sind menschengemacht – aus einer Zeit, als die Ostsee noch flacher war.“
Die einheimischen Fischer warnen eindringlich davor, zum Stein zu schwimmen. Die Unterströmungen in diesem Bereich der Ostsee haben schon manchen unvorsichtigen Schwimmer in Gefahr gebracht. Stattdessen bieten lokale Bootsverleiher bei ruhiger See spezielle Tauchgänge an, die einen sicheren Blick auf das Unterwassermonument ermöglichen.
Bronzezeitliche Rätsel: Warum der Buskam-Stein Archäologen noch heute verwirrt
Die mysteriösen Aushöhlungen auf der Oberseite des Buskams deuten auf eine Nutzung als bronzezeitliche Kultstätte hin. Während Göhrens Buskam maritime Geschichte erzählt, finden Kulturinteressierte auch im Landesinneren historische Schätze im Osten Deutschlands, die wenig bekannt sind.
Archäologen vermuten, dass der Stein einst eine bedeutende zeremonielle Funktion hatte. Aufgrund des steigenden Meeresspiegels liegt der Großteil der möglichen Kultstätte heute unter Wasser, was ihre vollständige Erforschung erschwert. Die schalenartige Vertiefung könnte für Opfergaben oder rituelle Handlungen genutzt worden sein.
Lokale Sagen berichten, dass der Stein einst mit dem Festland verbunden war. Bis heute gilt er bei manchen Einheimischen als mystischer Ort. Der Sagenbrunnen im Ortszentrum von Göhren greift dieses Motiv auf – eine sechsseitige Pyramide mit bronzierten Reliefs, die weitere regionale Legenden erzählen.
Gefährliche Schönheit: Wie Sie den Stein trotz Strömungsgefahr erkunden können
Wer den Buskam erkunden möchte, sollte wie bei anderen Geheimtipps für Naturentdecker die optimale Jahreszeit und lokale Führungen nutzen. Der Juni ist ideal, da das Wasser mit 10-14°C perfekte Sichtbarkeit für Tauchgänge bietet, während die Hauptsaison noch nicht begonnen hat.
Vom Südstrand oder der 280 Meter langen Seebrücke haben Sie den besten Blick auf den Stein. Lokale Anbieter bieten Bootstouren für etwa 25 Euro pro Person an, die bei ruhiger See direkt am Buskam vorbeiführen. Mit etwas Glück lassen sich auch rastende Kormorane und Möwen auf dem Stein beobachten.
Für Besucher ohne Bootstour empfehle ich den kostenlosen BUSkam-Ortsbus (mit Kurkarte), der Sie zu den besten Aussichtspunkten bringt. Die historische Kleinbahn „Rasender Roland“ verbindet Göhren zudem mit anderen Orten der Insel und bietet eine nostalgische Alternative zum Auto.
Als ich meine Kamera einpacke und einen letzten Blick auf den Buskam werfe, kann ich nicht anders als zu denken, dass die wahren Schätze oft diejenigen sind, die man nicht vollständig sehen kann. Sarah, meine Frau, würde von diesem Motiv begeistert sein – die Art von verstecktem Juwel, die ihre Fotografie zum Leben erweckt. Der Buskam, wie ein schlafender Riese im Meer, erinnert mich an eine alte Mönchgüter Redensart: „Was das Meer verbirgt, hat die Zeit bewahrt.“ In Göhren ist diese Weisheit in Stein gemeißelt – buchstäblich.