Sonnenlicht filtert durch die Baumkronen, als ich in Bad König aus dem Auto steige. Nach drei Stunden Fahrt von meiner temporären Basis in Frankfurt bin ich in dieser erstaunlichen Odenwald-Stadt mit 9.951 Einwohnern angelangt. Auf nur 46,73 Quadratkilometern versteckt dieser Ort ein Kunstgeheimnis, das selbst Sarah, meine Frau und professionelle Fotografin, überraschen würde: 16 monumentale Sandsteinskulpturen stehen im Kurpark verteilt, weitere 18 kleinere Werke finden sich im Stadtgebiet. Diese ungewöhnliche Kunstdichte auf so kleiner Fläche macht Bad König zu einem der überraschendsten Kunstverstecke Deutschlands.
Als ich durch die Morgenstille spaziere, treffe ich nur wenige Einheimische. Ein älterer Herr nickt mir zu und deutet auf eine abstrakte Sandsteinskulptur. „Die kennen nicht mal die meisten Deutschen“, sagt er augenzwinkernd, bevor er seinen Weg fortsetzt. Diese Ruhe steht im faszinierendsten Kontrast zur Kulturdichte.
Deutschlands überraschendste Kunstdichte: 16-34 Skulpturen auf 46,73 km²
Während andere deutsche Kunstschätze abseits der Touristenpfade meist in Kirchen versteckt sind, präsentiert Bad König seine Werke unter freiem Himmel. Der Skulpturenpark im Kurpark allein beherbergt 16 große Sandsteinskulpturen nationaler und internationaler Künstler.
Was mich besonders beeindruckt: Diese Stadt hat eine höhere Kunst-pro-Einwohner-Quote als viele europäische Kulturmetropolen. Mit einer Skulptur pro 622 Einwohner übertrifft Bad König sogar Städte wie Florenz, wo das Verhältnis bei etwa 1:1.500 liegt.
Die Bildhauer von Bad König setzen die lange Tradition der traditionellen Handwerkskunst in Deutschland fort. Besonders der Kunstplatz Nr. 1 zeigt die Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen. Als ich dort ankomme, bin ich allein – kein Tourist, keine Warteschlangen.
Verborgene Geschichte: Die 1000-jährige Kapelle und ihr 2005 entdecktes Geheimnis
Wie auch andere deutsche Kleinstädte mit überraschenden Schätzen birgt Bad König ein faszinierendes Mysterium. Die romanische Friedhofskapelle im Kimbacher Tal, deren Kern auf das 11. Jahrhundert zurückgeht, hütete jahrhundertelang ein verborgenes Kunstwerk.
Erst 2005 wurden bei Restaurierungsarbeiten beeindruckende Wandmalereien aus dem 14. Jahrhundert entdeckt – Heiligenfiguren und Passionsszenen, die fast 700 Jahre im Verborgenen lagen. Experten diskutieren noch immer über einen möglichen karolingischen Ursprung des Gebäudes.
„Wir kommen seit Jahren hierher, weil man diese Kunst-Natur-Kombination sonst nirgendwo findet. In Michelstadt nebenan stehen die Busse, hier findest du die Seele.“
Die Atmosphäre erinnert an das südfranzösische Périgord – mit ähnlichem Charme, aber ohne die Touristenmassen. Während ich durch die schmalen Gassen der Altstadt streife, fällt mir der Kontrast zwischen dem Alten und Neuen Schloss auf – ein architektonisches Ensemble, das die Stadtgeschichte auf einzigartige Weise widerspiegelt.
Zusätzlich zur Kunst bietet Bad König die Odenwald-Therme, deren Heilwasser bereits die Römer schätzten. Diese Kombination aus Kultur, Geschichte und Wellness auf so kleinem Raum ist in Deutschland selten zu finden.
Was die Reiseführer Ihnen nicht erzählen
Der beste Zugang zur Friedhofskapelle führt über den Parkplatz am Kimbacher Tal, von dort sind es nur 300 Meter zu Fuß. Wichtig: Die Kapelle ist nur sonntags von 14-16 Uhr oder nach Voranmeldung beim Stadtarchiv geöffnet.
Besuchen Sie den Skulpturenpark am frühen Morgen, wenn das Licht durch die Bäume bricht und die Sandsteinskulpturen in goldenes Licht taucht. Naturentdecker im deutschen Mittelgebirge finden in Bad König ähnlich unberührte Landschaften wie im Schwarzwald, können aber zusätzlich auf dem Odenwälder Schenkenpfad wandern – einem Premiumwanderweg, der oft übersehen wird.
Für 2025 plane ich, mit Emma herzukommen – meine 7-jährige Tochter wird die Kombination aus Skulpturenpark, Thermalquelle und dem nahezu steigungsfreien Mümlingtal-Radweg lieben. In einer Zeit, in der authentische Reiseerlebnisse immer seltener werden, ist Bad König wie ein verborgenes Kapitel in einem alten Buch – man muss nur wissen, wo man blättern soll.
Diese 9.951-Einwohner-Stadt mit ihrer ungewöhnlichen Kunstdichte zeigt, dass die wahren Schätze Deutschlands oft dort liegen, wo der Massentourismus noch nicht angekommen ist. Wie der Odenwald selbst – ruhig, tief und voller unerwarteter Entdeckungen.