Der Morgenwind kitzelt mein Gesicht, während ich meine Wanderschuhe schnüre und hinaufblicke auf die Berghänge, die das 5.020-Einwohner Schwarzwalddorf Todtnau umarmen. Es ist kurz nach 7 Uhr, und die Sonne taucht gerade die Spitzen der umliegenden Berge in goldenes Licht. In einem Moment der Stille fällt mir auf: Hier teilen sich 5.020 Einheimische ein Naturparadies mit jährlich über 10.000 Naturentdeckern – ein verstecktes Juwel, das selbst nach 10 Jahren als Reisejournalist meine Erwartungen übertrifft.
Der Ort, an dem 5.020 Einwohner 10.000 Naturentdecker pro Jahr empfangen
Todtnau liegt auf 659 Metern Höhe im südlichen Schwarzwald, nur 35 km nordöstlich von Basel. Was auf den ersten Blick wie ein gewöhnliches Bergdorf wirkt, entpuppt sich als Epizentrum für Naturliebhaber mit einem überraschenden Verhältnis von 2:1 Besucher zu Einwohnern.
Die meisten Schwarzwald-Touristen drängen sich in St. Blasien oder Todtmoos, während Todtnau mit seinen 69,75 Quadratkilometern unberührter Natur zu den nachhaltigsten Reisezielen ohne Übertourismus zählt. Hier finden Besucher eine seltene Balance zwischen Zugänglichkeit und Authentizität.
Als ich den Frühstückstisch in meiner Pension verlasse, verrät mir die Wirtin: „Die meisten Gäste kommen hierher, weil sie die Natur ohne die Menschenmassen genießen wollen. Unsere Wege sind gut markiert, aber nie überlaufen.“
Warum Schweizer die 12,5 km Wasserfallsteig-Route heimlich kopieren
Der 12,5 Kilometer lange Wasserfallsteig gehört zu den spektakulärsten Wanderrouten im Schwarzwald und führt zu den Todtnauer Wasserfällen, die mit 97 Metern Fallhöhe zu den höchsten in Deutschland zählen.
Was die Route besonders macht: Im Gegensatz zu ähnlichen Pfaden im schweizerischen Berner Oberland begegne ich auf meiner dreistündigen Wanderung nur einer Handvoll anderer Wanderer. Die Schweizer Nachbarn selbst kommen regelmäßig hierher – Schwarzwald-Qualität ohne Schweizer Preise und Menschenmassen.
„Wir kommen seit Jahren hierher statt ins Berner Oberland. Gleiche Naturschönheit, halb so viele Leute, ein Drittel der Kosten. Warum sollte man das jemandem erzählen?“
Besonders beeindruckend: An manchen Stellen des Steigs kann man hinter die Wasserfallvorhänge treten – ein Erlebnis, das in vielen bekannteren Wasserfallgebieten mittlerweile verboten ist.
Hasenhorn-Erlebnisberg: Die 2,9 km lange Sommerrodelbahn mit Schwarzwaldblick
Nach der Wanderung wechsle ich vom Naturgenießer zum Adrenalinjunkie. Der Hasenhorn Coaster mit seinen 2,9 Kilometern Länge gehört zu den längsten Sommerrodelbahnen Deutschlands und bietet einen spektakulären Blick über das Wiesental.
Was die wenigsten wissen: Die Bahn verfügt über drei versteckte „Geistesdrehen“ – besondere Kurvenverläufe, die nur Eingeweihte kennen und die die Schlittengeschwindigkeit perfekt kontrollieren. Diese gehören zu den besten Sommererlebnissen Deutschlands.
Mit 364 Höhenmetern Absenkung ist die Fahrt intensiver als viele vergleichbare Anlagen in den Alpen. Und das Beste: Selbst an Wochenenden warten hier selten mehr als 15 Minuten auf den Start – ein deutlicher Unterschied zu den überfüllten Attraktionen im nahen Titisee.
4 km Zauberweg: Wie Familien den verborgenen Märchenwald entdecken
Am Nachmittag treffe ich auf Familien, die den 4 Kilometer langen Zauberweg erkunden. Diese Route mit einer Wanderzeit von etwa 3 Stunden gehört zu den familienfreundlichsten Wanderzielen im Schwarzwald.
Der Zauberweg verbirgt interaktive Spielstationen, die nur bei aktiver Lösung der Rätsel sichtbar werden – ein cleverer Ansatz, um Kinder zu beschäftigen. Die unbekannte Künstlerin Gillian Neuhaus hat entlang des Weges faszinierende Naturkunstwerke geschaffen, die sich harmonisch in die Umgebung einfügen.
Meine Tochter Emma (7) würde die versteckten Elfensteine lieben, denke ich, während ich einen jungen Entdecker beobachte, der triumphierend einen Stein mit geheimnisvollen Zeichen hochhält.
So erkunden Sie Todtnau wie ein Einheimischer
Der beste Zugang erfolgt über die B317 mit kostenlosem Parken am Hasenhorn. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, nutzt die stündliche Busverbindung ab Freiburg (Fahrzeit: 75 Minuten).
Besuchen Sie die Wasserfälle am frühen Morgen (vor 9 Uhr) oder am späten Nachmittag (nach 17 Uhr), wenn das Licht magisch durch den Nebel bricht und die Touristengruppen verschwunden sind.
Für die beste Fotoperspektive der Wasserfälle gehen Sie nicht den Hauptweg, sondern nehmen Sie den weniger bekannten Südosthang-Pfad. Nach 200 Metern öffnet sich ein perfekter Blickwinkel, den selbst die meisten Einheimischen nicht kennen.
Als ich im goldenen Abendlicht den Rückweg antrete, verstehe ich, warum Todtnau ein Schwarzwald-Geheimtipp bleibt. Wie ein gut gehütetes Familienrezept wird die Schönheit dieses Ortes von Eingeweihten geschützt – ein Ort, wo der Schwarzwald noch atmen kann, unberührt vom Massentourismus. Sarah würde die Lichtstimmung für ihre Fotografien lieben, denke ich, während die Abendsonne den Wasserfallnebel in einen regenbogenfarbenen Schleier verwandelt.